Meldungen Der Hechtpapst öffnet sein Archiv

Der Hechtpapst öffnet sein Archiv


Im 7. Teil seiner Serie hat Hechtpapst Jan Eggers besonders verfressene Exemplare unter den Hechten aus seinem Foto-Archiv gekramt.

 
Der Köderfisch, mit dem Pieter Storms (rechts) seinen ersten Meterhecht fing, steckt noch im Schlund. Bild: Jan Eggers
Die Hagelkörner schlagen an diesem 5. Februar gegen die Fenster meines Büros und für heute Nacht sagt der Wetterdienst Schnee voraus. Beste Voraussetzungen, um wieder einmal am Computer zu angeln und diesmal mit besonders großen Ködern.
Ich habe im Laufe der Jahre eine Menge Fotos von Hechten gesammelt, die sich an großen, manchmal zu großen Köderfischen und anderen Lebewesen vergriffen haben. Für mich ist dieses Thema besonders reizvoll und interessant. Ich habe dadurch einiges über Kunstköder für große Hechte gelernt.
 

 
Unter dem Köderfisch taucht plötzlich der Schwanz eines großen Brassens auf. Bild: Jan Eggers

Früher, gerade einmal 60 Jahre her, verdiente ich mir mein Taschengeld mit dem Fang von Köderfischen, aber die Rotaugen und kleinen Brassen über 15 Zentimeter warf ich wieder zurück. Ich dachte sie seien viel zu groß für Freund Esox. Dass man mit Barsch als Köderfisch auch scoren konnte, um mal einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, kam mir gar nicht erst in den Sinn.

Big is beautiful

Nach meinem Umzug von den torfigen Veenpoldern rund um Graft- De Rijp an die lehmigen Polder bei Bovenkarspel wurden die Köderfische schon etwas größer, aber nie über 20 Zentimeter lang. Mein größter und meistgebrauchter Kunstköder war der Rapala Jointed in 11 Zentimetern Länge. Durch die Bücher von Fred Buller, das Sammeln von Hechtfängen über 18 Kilo und nicht zuletzt durch den Austausch mit Mitgliedern des „Pike Anglers Club of Great Britain“ (PAC) und der niederländischen Hechtstudiengruppe SNB reifte immer mehr die Überzeugung, dass Kunst- und Naturköder kaum zu groß für Hechte sein können.

 

 
Bild: Jan Eggers
Jan Eggers ist neugierig und zieht den Brassen heraus – er ist bereits größtenteils verdaut. Bild: Jan Eggers

In den Achtzigern begann ich dann mit Rotaugen und Alanden über 30 Zentimeter Länge auf Hecht zu angeln und fing damit viele Meterhechte. Ich hatte auch das Glück, viele Kunstköder in allerlei Größen und Formen im Großen Sklavensee und dem Taltson River zu testen. Den Fang von ungefähr 100 Meterhechten in sechs Tagen fand ich dann gar nicht so außergewöhnlich, obwohl es das sicher war. An diesen tollen Gewässern in Kanada habe ich auch viele Fotos von Hechten gemacht, die vergleichsweise große Köderfische im Magen oder Maul hatten. Obwohl noch der Schwanz einer 70 Zentimeter langen Quappe oder einer 60 Zentimeter langen Maräne aus dem Maul ragten, wurde auch der angebotene Kunstköder ohne zögern genommen.

 

 
Unappetitliches Hakenlösen: Unter dieser stinkenden Ratte sitzt Jan Eggers‘ Spinner. Bild: Jan Eggers

Fred Bullers Faustregel

In einem der Bücher von Fred Buller fand ich eine Faustregel, die auf einer Vielzahl von Praxisbeispielen basiert und folgendermaßen lautet: Ein Hecht kann problemlos einen Beutefisch von einem Drittel seines eigenen Körpergewichts vertilgen.

Vor allem bei zylindrisch geformten Beutefischen, wie bei großen Forellen, Alanden und anderen Hechten, stellt das Herunterschlucken für einen großen Hecht kein Problem dar. Bei hcohrückigen Brassen, Güstern und Karpfen ist das Verschlingen am Stück schon schwieriger. Dennoch ist es möglich, dass ein Meterhecht einen Brassen von 50 Zentimetern schlucken kann und sich trotzdem noch eine tote 20-Zentimeter-Güster als Nachtisch gönnt.
 

 
Ad Kluiters mit einer ziemlich frischen Ratte, die noch im Schlund eines Hechtes steckte. Bild: Jan Eggers
Ich werde einen Angeltag am Kanal zwischen Alkmaar und Kolhorn nicht so schnell vergessen. Das gilt umso mehr für meinen Angelpartner an diesem Tag, Pieter Storms, der damals seinen ersten Meterhecht fing. Der Fisch nahm einen großen Köderfisch, obwohl noch ein halb verdauter Großbrassen in seinem Schlund steckte. Ich glaube, dass vor allem durch solche Bilder das Image des Hechtes als gefräßiger „Wasserwolf“ geprägt wurde, vor dem kein Fisch sicher ist und der pro Woche oder sogar pro Tag sein Eigengewicht an Fischen frisst.

Gar nicht so verfressen

Die Realität sieht ganz anders aus. Biologen haben festgestellt, dass ein Hecht pro Jahr etwa das 4,5-fache seines Körpergewichtes fressen muss, um normal abwachsen und sich fortpflanzen zu können. Das bedeutet, dass ein Hecht von 10 Kilo im Jahr 45 Kilo Futterfische und andere Beutetiere fressen muss. Ich habe es mehrmals erlebt, dass ein gefangener Hecht kurz vorher eine Ratte gefressen hatte. Ich fand das vor allem deswegen erfreulich, weil ich deutsche Gäste dabei hatte, die nach dieser Erfahrung ab sofort keinen Hecht mehr essen wollten.  

 

 
An übergroßem Appetit verendet: Aus dem Hechtmaul ragt noch der Schwanzzipfel der Beute. Bild: Jan Eggers

Tödliche Irrtümer

Jedes Jahr aufs Neue kriege ich Fotos von Hechten zugeschickt, die an einem zu großen Beutefisch erstickt sind, oder an einem Aal, der ihnen in den Kiemen hängen blieb. Erst vor ein paar Wochen kam noch ein Bericht von einem Meterhecht im Fernsehen, der im Noorderplassen bei Almere, an einem 75-Zentimeter-Zander erstickt war.

Ich selbst habe einen toten Hecht von 111 Zentimetern Länge aus einem Graben einer Parkanlage in Medemblik geholt, bei dem nur noch ein kleines Stück vom Schwanz eines Zanders aus dem Maul ragte. 
Ich habe aus lauter Neugier den Zander ebenfalls vermessen und kam dabei auf eine Länge von 77 Zentimetern. Das muss unter Wasser ein gigantisches Gefecht gewesen sein. Drillen sie mal selber einen Zander von dem Kaliber, dann wissen sie Bescheid.
 

 
Dieser 77er Zander steckte in einem 111 Zentimter langen Hecht. Bild: Jan Eggers

Meldungen von Hechten, die gleich große Artgenossen ohne zu zögern angreifen, kommen jedes Jahr rein und es gibt auch regelmäßig entsprechende Fotos. Es sind Hechte dabei, die noch leben und von denen der eine den anderen nicht loslassen will. Ich selbst habe schon einmal zwei ineinander verbissene Hechte wieder auseinander gezogen.

Es geht aber auch oft tödlich aus und ich habe dann diese Hechte, die verwesend gegen den Wind stinken, an Land geworfen. Wenn man dann ein paar Monate später wieder an diese Stelle kommt, findet man meist nur noch Gräten und meistens nahm ich die Kiefer und das Cleithrum, ein Knochen, mit dem man das Alter des Fisches bestimmen kann, mit nach Hause.
 

 
In jedem Jahr werden solche ineinander verkeilten Hechte tot gefunden. Bild: Jan Eggers

Schleie täglich auf dem Speiseplan

Es ist mir schon mehrere Male und vor allem in Kanada passiert, dass während des Drills von einem 60 bis 80 Zentimeter langen Hecht, sich ein viel größerer Hecht auf den kleineren stürzte und diesen nicht mehr loslassen wollte. Manchmal montierten wir in Kanada sogar einen toten Hecht oder Walleye (amerikanischer Verwandter des Zanders) von 40 bis 50 Zentimetern Länge an einem Hechtvorfach und fingen damit die Großmütter.

Einmal hakte ich eine ungefähr 40 Zentimeter lange Schleie unterhalb eines Einlaufs. Der beschwerte Tandemspinner saß am Kopf fest und beim Einholen stürzte sich ein dicker Hecht darauf.
 

 
Jan Eggers beobachtete, wie der große Hecht den kleinen Artgenossen nahe am Boot packte und ihn schnell verschluckte. Bild: Jan Eggers
Ich gab meine Angel an einen Angelkollegen weiter, nahm meine Kamera und wollte ein Foto machen. Kurz darauf ließ der Hecht los und ich konnte noch die Schleie landen. Da große Hechte in den Poldern meist in der Nähe eines Einlaufs bleiben, probierte ich es eine Woche später wieder an der gleichen Stelle. Gleich beim ersten Wurf mit dem Tandemspinner hieß es “Bingo” und ich fing einen Polderhecht von 110 Zentimetern Länge!
Früher hieß es, dass Hechte keine Schleien fressen würden, weil die Schleie als der “Doktorfisch” galt. Blödsinn, denn ich habe vor Jahren im Ossiacher See in Österreich mit einer für Wels gedachten, lebenden Schleie einen Hecht von fast einem Meter Länge gefangen. Auch der ehemalige, deutsche Rekordhecht von Friedrich Witzany (23,7 kg) wurde auf eine lebende Schleie gefangen.
 

 
Trauriges Bild: Schon nach zwei Wochen am Ufer bleiben nur noch Knochen übrig. Bild: Jan Eggers
Ach, was frisst ein Hecht denn nicht? Junge Enten, Blässhühner und Gänse werden ohne zu zögern von der Oberfläche weggeschnappt, deshalb ist die Angelei mit großen Streamern, Modell “halbes Hähnchen”, zu Beginn der Hechtsaison so erfolgreich.

Keine Angst vor großen Ködern

Ich habe gerade passende Fotos zu diesem Artikel herausgesucht und komme auf 30 Stück. Das sind eigentlich viel zu viele für einen Artikel und daher werde ich zu großen und auch merkwürdigen Hechtködern in einem Folgeartikel das eine oder andere erzählen. Durch all diese Berichte und Fotos habe ich gelernt, dass ein Köderfisch oder Kunstköder für einen Hecht selten zu groß ist. Ich vermute sogar, dass die Bereitschaft auch übergroße Köder zu attackieren, bei kleinen Hechten, die auch ungestüm einen 25 Zentimeter langen Grandma-Wobbler oder einen noch längeren Shad angreifen, noch extremer ist.

 

 
Von wegen, Hechte mögen keine Schleien! Esox im Drill mit Tinca im Maul im Drill. Bild: Jan Eggers
Oft haben aber vor allem Angelanfänger Angst davor Wobbler, Jerkbaits, Shads und große Bucktailspinner ans Vorfach zu hängen. Erst wenn sie selbst erleben, wie gut diese Großköder fangen, kommt das Vertrauen. Natürlich sind große Köder keine Garantie, um Meterhechte zu fangen.
 
Jan Eggers
 

 
Diese große Schleie steckte kurz vor der Aufnahme noch im Maul des Hechtes. Bild: Jan Eggers

Teil 6 der Serie „Der Hechtpapst öffnet sein Archiv“…

 

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