Meldungen Fischern über die Schulter geschaut

Fischern über die Schulter geschaut


Einen Tag lang fuhr Ines Engelbrecht zusammen mit Boddenfischern auf die Ostsee hinaus. Hier lesen Sie Ihren Erlebnis-Bericht.

Von Von Ines Engelbrecht

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Fischer Hansi Borchardt präsentiert einen 2,5 Kilo schweren Dorsch.

Sieben Fischkutter aus Freest, Gristow, Karlshagen und Vitte liegen zur Zeit im Barhöfter Hafen. Es ist Feierabend, die Boote dümpeln im Wasser am Kai. Der Lkw der Freester Fischerei-Genossenschaft holt den Tages-Fang der Kutter ab. Die Männer hieven lachend und Scherze machend die blauen Kunststoff-Wannen mit Fisch auf die Lade-Fläche des Autos. Eigentlich sind sie ja auf Dorsch aus, aber der geht in diesem Jahr nicht wie erwünscht ins Netz.

Deshalb sieht es mit der Fang-Quote für diese Fisch-Sorte nicht rosig aus. Wird die Fang-Quote des Jahres nicht erreicht, wird sie im folgenden Jahr nach unten korrigiert. Sie ergibt sich aus den Quoten der letzten drei Jahre. Und wie es dann mit der Zukunft der Fischerei aussieht, kann man sich vorstellen. Zum Glück ziehen die Männer mit ihren Netzen noch sogenannten Beifang – Barsch, Flunder, Steinlachs (Ostsee-Schnäpel), Butt und Hering aus der Ostsee.

Fette Herbst-Heringe

Herings-Hauptsaison ist eigentlich das Frühjahr, im Herbst sind die Fische aber fetter und der silberne Fisch wird immer gern gekauft. Dieses Jahr war kein gutes Fangjahr, so Hans Borchardt. Er hat die Fischerei 1965 gelernt und ist dabei geblieben. Der 54-Jährige ist der zweitdienstälteste Fischer in der Genossenschaft nach Hans Behling. Die Freester Fischer nutzen in der Herbst-Saison den Barhöfter Hafen zum Anlegen, im Sommer sind sie im Greifswalder Bodden zu Hause. Von Barhöft aus legen sie morgens um 6 Uhr ab und fahren raus auf die Ostsee oder bis Darßer Ort, wo sie ihre Netze ausgelegt haben.

Die ersten sind kurz nach Mittag zurück wie Torsten Grabow mit seinem Kutter „Angelina“. Er ist mit dem Tagesfang überhaupt nicht zufrieden. Eine Ostseekrabbe krabbelt seitwärts über den Butt in der Kiste. Die Kutter sind unterschiedlich groß und können in ihrem Bauch eine unterschiedliche Anzahl von Tonnen Fisch verstauen. Jeder Kutter hat seine vorgeschriebene Tages-Quote und wenn er diese erreicht hat, läuft er in den Hafen ein.

Haben die ersten Fischkutter angelegt, dauert es nicht lange und die ersten fischhungrigen Käufer finden sich ein. Flunder, Scholle, Steinbutt, Hering oder Dorsch werden direkt von Bord verkauft. Auf Wunsch wird der Fisch von den Fischern ausgenommen und filetiert.

Scholle oder Flunder?

Sehr gerne werden gebratene Flundern gegessen. Ein Fischer erklärt den Unterschied zwischen Scholle und Flunder, weil doch beide eigentlich fast gleich aussehen. Die Scholle ist etwas größer, hat eine glatte Oberfläche und ist zarter im Fleisch. Flundern werden nicht so groß. Die Exemplare mit 25 Zentimetern gelten als kleine und 27 Zentimeter sind die großen Flundern. Auf einem Holzmaß wird jedes Stück angelegt und kommt in die dementsprechende Kiste.

Die Heringe auf dem Kutter von Holger Müller müssen noch aus dem Netz gepult werden. Die Kollegen der anderen Schiffe helfen und in einer Stunde ist meist alles vergessen. Dirk Baumann filetiert mit seinem scharfen Messer den Dorsch – auf Wunsch. Joachim Wienholz und sein Kollege Bernd Boese ziehen das endlos lange Netz von 1.000 Metern Länge von Bord an Land. Etliches Seegras hat sich in den Maschen verheddert und ab und zu wird eine Flunder, Krabbe oder Muschel aus den Maschen gepult. Das Nylon-Netz wird entwirrt und kommt ordentlich zusammen gelegt wieder an Bord des Kutters für den nächsten Fang.

Kein einfaches Handwerk

Die Fischer, die meist mit zwei oder drei Mann Besatzung an Bord arbeiten, legen ihre Fangnetze vor Darßer Ort in sechs bis sieben Meter Tiefe aus. Je nach gewünschter Fischart, weisen die Netze unterschiedliche Maschen-Stärken auf.

Für den Hering ist eine Maschen-Schenkellänge von 28 x 28 Millimetern notwendig, während die Maschengröße beim Dorsch mit 60 x 60 Millimetern größer ausfällt. Ein Herings-Netz hat eine Größe von 6,50 Metern. Zur Sichtbarkeit werden Markierungen oberhalb der Netzkante in Form von Steuerern, sogenannte Schweken, gesetzt. Das sind lange Stangen mit roten Fähnchen und einer Nummer. Eine solche Schweken-Stange trägt dieselbe Nummer wie der Kutter, der das Netz ausgelegt hat. In einem Abstand von 50 Metern wird immer eine Schweke gesetzt.

Unten am Netz befinden sich Netz-Anker, die auf der ganzen Länge das Netz gespannt halten. Trotzdem werden die Netze mit ihren sichtbaren Zeichen immer wieder ignoriert. Vor allem größere Schiffe fahren darüber hinweg. Ist so ein Netz zerfetzt, muss es entsorgt werden. Die Schwimmleine wird herausgetrennt und wieder verwendet. An Bord befinden sich noch ein großer Anker von 60 Kilo und ein Reserveanker von 40 Kilo. Aber die kommen eigentlich nur zum Einsatz beim Angeln mit der Langschnur. Diese wird im Sommer ausgelegt zum Aal- und Zander-Fischen.

Fischer-Romantik

Im Barhöfter Hafen angelangt, wird der Fisch entladen. Einige Fischer gönnen sich eine warme Mahlzeit bei Familie Sprenger in der „Proviantkiste“. Manche haben einen Wohnwagen, der ist bequemer zum Nächtigen und sie können sich auf eigenem Herd selbst etwas zubereiten. Andere bleiben Nachts an Bord. Zwei bis drei Kojen, eine Kochgelegenheit und eine Toilette finden sich im vorderen Teil des Kutter-Rumpfes. Das Unter-Deck wird meist im Sommer zum Wohnen genutzt, wenn die Fischer auf Wasser bleiben, nachts den Fang einholen und morgens zeitig im Heimat-Hafen Freest einlaufen.

Hansi Borchardt sitzt nach Feierabend in seinem Wohnwagen und heftet die Blätter mit der genauen Kilogramm-Zahl der Fische vom Vortage ab. Die Nachweis-Bögen bekommen die Fischer von der Genossenschaft mit dem Lkw geliefert, der den Fang abholt. Dann nimmt sich der Fischer eine blaue Tonne, öffnet einen Sack mit Pökelsalz und legt Heringe hinein. Nach einigen Wochen ist der Salzhering fertig zum Essen für Familie und Freunde.

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Die „Angelina“ von Torsten Grabow läuft am frühen Nachmittag in den Barhöfter Hafen ein.
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