Das klingt unglaublich, ist aber wahr. Diese und weitere Kuriositäten konnten Uwe Pinnau und seine Freunde in Irland erleben.
Den Flug von Düsseldorf nach Dublin bringen wir schnell hinter uns. Thomas, Christian und ich sind schon jetzt absolut heiß auf die Angelei. Von der irischen Hauptstadt geht es mit dem Leihwagen weiter nach Longford. Irland ist nicht allzu groß, die Wege nicht sehr weit, und so dauert die Fahrt auch nur eineinhalb Stunden, die Vorfreude aber wächst mit jeder Sekunde. In Longford begrüßt uns dann Kevin Lyons in seiner Melview Lodge aufs Herzlichste. Der gebürtige Engländer und versierte Angler hat hier schon viele Angler glücklich gemacht, sowohl mit Hechten, als auch mit schönen Friedfischen. Die ein drucksvollen Fangfotos und Urkunden auf dem Kamin des Salons sprechen Bände. Kevin hat sich im letzten Jahr gleich mehrfach in die Top-Fünf der irischen Bestenliste für Hechte geangelt, und auch bei Schleien und Brassen weiß er ganz genau, was zu tun ist.
Wir beziehen das Zimmer und montieren die Gerätschaften für den Einsatz am nächsten Tag. Der Plan ist, dass wir uns zunächst mit Kunstködern einen Überblick verschaffen. Wo stehen die Hechte, und sind sie in Beißlaune? Vorher ist aber nach einem netten Dinner erst einmal Nachtruhe angesagt.
Der Morgen beginnt, wie es sich für eine Irlandtour gehört, mit einem herzhaften Frühstück. Kevin wird uns heute begleiten und das Revier vorstellen. Schnell sind die Spinnruten und jeweils eine Naturköderrute gepackt. Aufgrund des Windes entscheidet Kevin, eines der irischen Lakeboats mitzunehmen. Ein weiteres befindet sich schon in der nahegelegenen Marina.
Durch einen kleinen Zufluss geht es von der Marina zum Shannon und zum Lough Forbes.
Das für Guidingtouren voll ausgestattete und komfortable „Marcraft Aluboot“ bleibt in der Garage. Den Weg zur Marina legen wir innerhalb weniger Minuten zurück, lassen das zweite Boot zu Wasser und tuckern auf einem kleinen Fluss in Richtung Lough Forbes, einer seeartigen Verbreiterung des Shannon. Dieser ist wohl der bekannteste und auch größte Strom Irlands, in etwa wie der „Vater Rhein“ bei uns. Natürlich schleppen wir dabei schon mal die ersten Köder hinter dem Boot her, und die irischen Hechte lassen sich nicht zweimal bitten. Schon nach wenigen Metern wird der lebhafte Lauf meines Wobblers jäh unterbrochen, und wütend schlägt ein Kleinhecht an der Oberfläche – ein schönes Gefühl, schon mal „entschneidert“ zu sein. Als wir den See erreichen, springen uns sofort einige aussichtsreiche Stellen ins Auge. Dort riecht es nach Räubern, und wir biegen gleich nach links in eine ausgedehnte,flache Bucht ab. Während Kevin und ich die Ränder mit schnellen Ködern abwerfen und dabei auf aktive Hechte hoffen, driften Thomas und Christian in der Mitte der Bucht. Sie fangen eine Reihe mittelgroßer Hechte auf Gummifische. Das geht ja gut los und macht Hoffnung auf die kommenden sechs Tage.
Aus der Tüte, tiefgekühlt
Weiter geht’s durch den See in den Einlauf des Shannon. Das Echolot zeigt eine tiefere Rinne entlang des rechten Ufers mit reichlich Fisch. Im Scheitelpunkt der nächsten Kurve treffen wir auf zwei Belgier, ebenfalls Gäste der Melview Lodge. Sie haben ihr Boot am Ufer geparkt und angeln mit Köderfischen. Mehrere Hechte bis 93 Zentimeter und eine schöne Brown Trout konnten sie hier und heute damit bereits überlisten. Auch wir versuchen in der Nähe unser Glück und holen die tiefgekühlten Rotaugen aus der Tüte. Kevin verzeichnet einen Fehlbiss, bei mir tut sich nichts.
Thomas hat es geschafft: Die Hechtdame bringt es auf 103 Zentimeter.
Nach einer Weile wechseln wir das Ufer, stellen uns in den Windschatten und plötzlich läuft bei Kevin die Schnur vehement von der Rolle, was er mit einem entschlossenen Anhieb quittiert. Leider bleibt es bei einem kurzen Anfangswiderstand. Keiner der Drillinge hat gefasst. Am Köderfisch sind auch keine hechttypischen Bissspuren zu sehen, es fehlen lediglich ein paar Schuppen.
Dem rasanten Biss nach zu urteilen, hat Kevins Rotauge die Bekanntschaft mit einer Brown Trout gemacht. Schade, aber auch das gibt Hoffnung und macht Lust auf mehr. Es geht zurück in die Lodge. Nach dem Genuss von schmackhaften „Fish’n hips“ lassen wir den Tag im Salon mit Fachsimpeleien und einem Champions-League- Spiel ausklingen. Neuer Tag – neues Glück. Kevin hat Maden besorgt, und wir wollen uns noch fix ein paar Köderfische fangen. In Irland hat das Hechtangeln mit Naturködern kaum etwas mit stundenlangem, tumbem Ansitzen zu tun. Im Gegenteil, die Methode ist häufig sogar kurzweiliger und erfolgreicher als das Spinnfischen. Reisende sollten also auch immer eine Matchrute für den Köfifang im Gepäck haben.
Wir müssen „nachstippen“
Zunächst wird ein wenig Futter angemacht und direkt neben den Booten eingeworfen. Es dauert ein paar Minuten, schließlich sind wir eben noch über die Steganlage gepoltert, aber dann läuft es ganz gut. Schnell sind einige Köfis zusammen, hauptsächlich Kreuzungen aus verschiedenen Weißfischarten, die hier außergewöhnlich zahlreich vertreten sind. Auf dem See angekommen, steuern wir sogleich die Bucht vom Vortag an. Christian will das herrliche Wetter und die guten Bedingungen nutzen, um die Hechte im Flachwasser mittels Fliegenrute und Streamer aus der Reserve zu locken, Thomas und ich setzen auf Köfi. Neben reichlich Sonne und einem irischen Regenschauer bekommen wir auch eine Menge Fisch, müssen sogar noch „nachstippen“, weil uns die Köderfische ausgehen. Zu einer ganzen Reihe halbstarker Hechte gesellen sich auch ein paar schöne Fische, und Thomas kann sogar einen richtigen Brocken erwischen. Der Drill ist heftig, nach gefühlt endlos langen Minuten werden Thomas‘ Erfahrung und auch das gut abgestimmte Gerät belohnt – 103 Zentimeter irischer Hecht gleiten in die Keschermaschen.
Das gute Tier hat gekämpft wie ein Berserker. Erschöpft und glücklich machen wir schnell ein paar Fotos, bevor sich die schöne Hechtdame wieder in ihr Reich begeben darf. Die Hechte auf der grünen Insel haben einfach mehr Bums als die meisten ihrer Verwandten auf dem europäischen Festland. Christian können wir nur aus der Entfernung beobachten und erfahren später, dass auch er mit seinen Streamern richtig abgeräumt hat.
Hechte ohne Ende. Uwe kann sich zigfach freuen.
Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende und Kevin kann uns freudig strahlend zum Dinner begrüßen. Der folgende Tag bringt wieder einiges an Überraschungen, und schon beim Stippen geht es hoch her. Meine Pose zieht unvermittelt und zügig ab, und irgendwas leistet da an meiner Avon-Rute unerwarteten Widerstand. Ich bin mehr als verblüfft, als plötzlich ein Aal an der Oberfläche erscheint und gar kein Schlechter. Dann herrscht erstmal Flaute. Kein Wunder, denn Thomas kann auf zwei Maden einen kleinen Hecht fangen, der uns wahrscheinlich vorher die Friedfische vom Platz gehalten hat. Doch damit nicht genug der Kuriositäten. Wieder gibt es einen Biss, eigentlich sogar zwei: Ein Fisch hat sich die Maden von Thomas und dann auch noch meine einverleibt. So etwas haben wir auch noch nie erlebt. Später bekomme ich noch einen dieser merkwürdigen Forellenbisse und schaffe es aber leider auch nicht, den Salmoniden zu haken.
Unglaubliche Bissfrequenz
Christian fängt noch einen schönen Hecht auf ein Froschimitat. Bei Thomas und mir kommen jetzt Neunaugen an die Haken, die uns Kevin besorgt hat. Thomas fängt darauf sogar einen Hecht beim Einkurbeln. Ich verliere leider meinen besten Fisch der Tour direkt am Boot und muss mich damit der unerhörten Kampfkraft irischer Hechte geschlagen geben.
Neunaugen als Raubfischköder sind in Irland normal. Bei uns sind sie hingegen streng geschützt.
Was dann am frühen Abend passiert, haben wir so auch noch nicht erlebt. Rund um eine kleine Insel herum, rauben die Hechte unter überhängenden Büschen, als gäbe es kein Morgen mehr. Wir schlenzen die Köderfische kurz vor das Buschwerk, und schon wandert die Pose. Ein Hecht nach dem anderen landet im Kescher, und ich verzichte auf die zweite Rute, um noch Herr der Lage zu bleiben.
Kurz darauf sind wir mit einem Dreifachdrill beschäftigt, was aber erstaunlich gut klappt und keinen Fischverlust zur Folge hat. Mit diesem Wissen legen wir uns am Folgetag wieder an der Insel auf die Lauer und dürfen das Spektakel ein zweites Mal genießen. Kaum ist der Köderfisch eingetaucht, erfolgt die Attacke. Die Bissfrequenz ist wie beim Stippen auf Rotaugen. Als wir uns später in der Lodge mit belgischen Friedfischanglern austauschen, staunen diese nicht schlecht über unsere Fänge.
Aber auch ihre Schleien und Brassen machen Lust auf einen schönen Tag mit der Matchrute. Leider ist aber auch so eine Angelwoche dann schneller vorbei, als man anfangs glauben mag. Während unseres Aufenthaltes haben wir nur ein paar andere Angler gesehen. Uns stand also die üppige Wasserfläche quasi allein zur Verfügung. Und auch zu anderen Zeiten wird sie anscheinend nicht über Gebühr beackert. Irgendwie fühlten wir uns wie an einem jungfräulichen Gewässer. Der „Nachteil“: Man muss sich erst einmal durch die jüngeren Jahrgänge angeln, um auch einen kapitalen Hecht zu fangen.
Äußerst kurios: Der Doppelbiss auf Maden.
Revier-Infos
Raubfischbestand: Hecht, Brown Trout, Barsch
Futterfischbestand: Weißfisch-Hybriden, Rotauge, Rotfeder, Barsch, Brassen, Schleie
Tiefe: Im Durchschnitt 1,8 bis 3 m, es gibt aber auch bis zu 9 m tiefe Löcher
Untergrund: Sauberer bis leicht schlammiger Grund, an einigen Stellen auch Steine (Warnzeichen beachten)
Wasser: Leicht eingetrübt
Besonderheiten: Fischen in Fluss und See möglich, daher auch bei Hochwasser gute Chancen
Methoden: Natur- und Kunstköderangeln auf Hecht; Gummiköder und Wobbler funktionieren gut, Jerkbaits sind ebenfalls eine gute Wahl
Gerät: Kräftige Hechtspinnruten (WG bis 100 g) mit Stationär- oder Multirolle; Naturköderruten (3,60 m, Testkurve 2,75 lbs) mit geschmeidiger Aktion (z.B. Purist Apex Predator von Shimano), Freilaufrollen mit 0,35 mm Monoschnur, Posen mit 20-30 g Tragkraft; zum Köderfischfang am besten Multifunktionsruten mit verschiedenen Spitzen für das Match- oder Feederangeln
Extra-Tipp: Eine Fliegenrute der Klasse 9 und entsprechendes Streamermaterial ist zum Hechtangeln sehr zu empfehlen. Die hochgelegenen Wurfplattform auf dem Lyons‘ Marcraft Boot ist für das Fliegenfischen bestens geeignet.
Bestimmungen: Erlaubt ist das Angeln mit 2 Raubfischruten (Kunst- oder Naturköder); pro Angeltag und Angler darf 1 Hecht entnommen werden, der Besitz von mehr als einem ganzen Hecht oder mehr als 0,75 kg Hechtfleisch ist verboten; Hechte über 50 cm Länge müssen zurückgesetzt werden; der Besitz von mehr als 12 Weißfischen als Köder ist nicht gestattet; die Köderfische dürfen höchstens 25 cm lang sein, und bei mehr als vier Stück ist eine Rechnung über den Kauf erforderlich. Die Forellensaison startet am 15. Februar und endet am 30. September.
Angeln vom Ufer: Am Shannon durchaus möglich, allerdings eröffnen sich vom Boot aus wesentlich mehr Möglichkeiten
Gastkarten: Eine Lizenz wird nicht benötigt
Boote: Gute, stabile Lakeboats mit zuverlässigen, gepflegten Außenbordern; für Gäste der Melview Lodge (Adresse s. Unterkunft) kostenlos, das Benzin muss bezahlt werden.
Unterkunft: Melview Lodge (www.melviewlodge.com), Drumlish Road, Clonrollagh Co. Longford, Ireland; Tel. 00353-(0)433345061, Mobil: 00353-(0)872687441, E- Mail:info@melviewlodge.com; Übernachtung mit Frühstück und auf Wunsch auch Abendessen; Parkplatz hinter dem Haus, Abstell- und Kühlraum sind vorhanden. Weitere nützliche Informationen auch unter www.discoverireland.com/de/
Guiding: Mindestens ein Tag mit Kevin Lyons (Adresse s. Unterkunft) ist sehr ratsam und spart wertvolle Angelzeit.
Fachgeschäfte: z.B. Edward Denniston & Co, Centenary Square, Longford, Telefon 00353-(0)4346345
Anreise: z.B. Flug mit Aer Lingus von Düsseldorf oder Frankfurt nach Dublin. Von dort mit dem Leihwagen nach Longford (Fahrzeit ca. 1,5 Stunden)