Wer auf abwechslungsreiches Hechtangeln steht, sollte sich unbedingt das Veluwemeer in den Niederlanden genauer ansehen. Hier gibt es beides: eine gute Bissfrequenz und die Chance auf Kapitale. Von Birger Domeyer
Langsam driftet das Boot an der Unterwasserkante entlang, an der es von zwei auf gut viereinhalb Meter abfällt. Plötzlich schreckt Markus auf, denn er hat schon wieder einen Nachläufer auf seinen 30 Zentimeter langen Real Eel: „Boah, der hatte bestimmt 90 Zentimeter“, platzt es aus ihm heraus.
Ich drehe mich noch zu dem abdrehenden Hecht um, da knallt es schon in meiner Rute. Der bei der Aktion vor sich hin schwebende Hybrida K3-Wobbler hat einen Interessenten gefunden, wenig später landet ein 80er Hecht im Boot. Sofort setze ich einen Punkt auf dem GPS, denn hat man am Veluwemeer erstmal eine Ecke gefunden, in der Hechte stehen, sind meist mehrere Fische möglich. So auch in diesem Fall. Einen weiteren Biss bekommen wir hier noch, am nächsten Tag fangen wir zwei mittlere Hechte genau an diesem tags zuvor gesetzten GPS-Punkt. Zufall? Natürlich nicht. Das Veluwemeer bietet zwar viele interessante Strukturen für Hechte, aber wenn die Räuber die Wahl haben, bevorzugen sie natürlich ganz bestimmte Bedingungen. Hat man dieses Muster durchschaut, lassen sich Hechtstandplätze vorab erkennen und gezielt ansteuern.
ANHALTSPUNKT FAHRRINNE
Um das Veluwemeer anglerisch zu verstehen, hilft es, seine Geschichte kurz aufzurufen. Eigentlich war dort, wo heute das Veluwemeer liegt, einst eine riesige Meeresbucht, die sogenannte Zuiderzee. Durch einen Damm von der Nordsee abgeschnitten, entstand durch Landrückgewinnungsprozesse das riesige Ijsselmeer und die darin liegende Insel Flevoland.
Die um Flevoland wie ein Schlossgraben herumfließenden Gewässer nennt man heute die Veluwe Randmeere, eines davon ist das Veluwemeer. Als ursprüngliche Meeresbucht haben alle Gewässer eine sehr langweilige Struktur, denn sie sind großflächig sehr flach und weisen Sandboden auf. Nur durch stetige Baggerarbeiten entstanden und entstehen immer noch Fahrwasser und größere, tiefe Bereiche, steile Scharkanten, Steinhaufen sowie Unterwasser-Berge. Mittlerweile ist zudem das gesamte Gebiet durch die Einmündung der Ijssel ausgesüßt, wodurch sich unsere Zielfische Hecht und Barsch pudelwohl fühlen. Um diese zu lokalisieren, ist also die durch Tonnen abgesteckte Fahrrinne ein erster, heißer Anhaltspunkt.
HECHT DOMINIERT
Um gleich auf den Punkt zu kommen: Das Veluwemeer zwischen Elburg und Harderwijk würde ich als klassisches Hechtrevier bezeichnen. Sicher, hier gibt es auch Zander, man kann mal einen fangen. Aber gezielt darauf fischen? Da gäbe es wirklich produktivere Gewässer in der Umgebung. Wer zum Veluwemeer fährt, sollte sich auf die Hechte fokussieren, denn davon gibt es hier reichlich. Jüngst tauchen auch immer mehr Barsche auf, die es hier früher nicht gab. Um die habe ich mich jedoch noch nie richtig gekümmert, zu verlockend war die Aussicht auf einen fetten Hecht, der auf einen Brassenschwarm an der Kante lauert. Und damit wären wir bereits wieder beim Thema: Wo stehen denn die Hechte?
Ich würde das Veluwemeer in drei Zonen einteilen. Zunächst gibt es sehr große Flächen mit extremem Flachwasser, vorwiegend auf der Süd-Ostseite. Hier ist es nur zwischen 0,5 und einem Meter tief. Toll für Surfer, aber recht uninteressant zum Fischen. Daran anschließend, und bereits mit einer Tonnenreihe abgegrenzt, findet sich ein ausgedehnter Bereich mit etwa zwei bis zweieinhalb Metern Wassertiefe. Hier wächst reichlich Kraut, in den Sommermonaten auch bis zur Oberfläche. Bei der Aussicht leuchten Hechtanglers Augen, und das dürfen sie auch. Diese Flachwasser-Areale sind durchaus produktiv, lange Driften lohnen sich vor allem zum Saisonstart im Juni sowie im Herbst und Winter. Im Sommer wächst das Kraut oft zu dicht, ein sinnvolles Angeln ist eher schwierig bis unmöglich. Außerdem würde ich vor allem in warmen Phasen dieses Gebiet nicht als erstes aufsuchen. Gegen das Kraut gäbe es Optionen wie Offsethaken oder Spinnerbaits. Nur nützt das wenig, wenn gar keine Hechte mehr da sind. Ich habe in dem angesprochenen 0,5-Meter-Areal, das sich bis zu 700 Meter weit ins Veluwemeer zieht, im August schon 28 Grad Wassertemperatur gemessen. Drückt der Wind dieses pippiwarme Wasser in das angrenzende Areal mit 2,5 Metern Tiefe, flüchten viele Hechte und ziehen sich ins kühlere, tiefe Wasser zurück. Hier ist der Sauerstoffgehalt erträglich, die Räuber können fressen.
Und schon sind wir im heißen Bereich, der Hauptfahrrinne, die nochmals durch Tonnen abgesteckt ist. Die Rinne selbst ist im Schnitt etwa 4,5 bis sieben Meter tief und weist unendlich viele feine Tiefenunterschiede auf, bedingt durch das stetige Baggern. Manche Bereiche sind sogar bis zu 14 Meter tief und recht neu entstanden, also in noch keiner verfügbaren Tiefenkarte eingezeichnet. Diesen Bereich findet man nördlich der Insel „De Kroonend“, hier stand zuletzt der Bagger. Am interessantesten und ebenso fein strukturiert ist die Kante zum Fahrwasser. Diese fällt recht steil ab und besticht durch zahllose Vorsprünge, an der die Hechte gerne lauern.
DICHT AN DEN BRASSEN
Es ist das perfekte Jagdrevier für Hechte: In etwa drei Metern Tiefe wächst kein Kraut mehr, man stellt sich also an so eine Kante an den Krautrand und wartet ab, bis sich ein Brassenschwarm nähert. Diese kommen regelmäßig vorbei, um sich an den zahllosen kleinen Muscheln zu laben, die an den Wasserpflanzen kleben. Und zack, schnappen die Hechtkiefer zu. Etwa so ticken die Hechte im Veluwemeer, deshalb ist es jetzt schwierig, genaue Hotspots zu nennen. Grundsätzlich kann man nämlich überall an der Fahrrinnenkante ganzjährig Fische fangen. Die Hechte orientieren sich dabei eher an den Brassen als an speziellen Standorten. Die eine Woche könnte also eine gewisse Kante super sein, die Woche darauf aber schon wieder keinen Biss produzieren. Ich würde behaupten, dass es an diesem Gewässer fast unerlässlich ist, ein Echolot zu benutzen. Einerseits, um die Kanten genau zu treffen, andererseits, um die Brassenschwärme ausfindig zu machen und diese zunächst zu suchen. Gegen Abend buckeln diese übrigens auch gerne an der Oberfläche, es schadet also nicht, die Augen offen zu halten.
Die angesprochenen Baggerarbeiten soll-te man übrigens im Auge behalten. So ein Sandbagger kann das Wasser je nach Windrichtung großflächig eintrüben. Hechte mögen aber lieber klares Wasser und reagieren entsprechend mit schlechtem Beißen.
Ebenso schafft es ein starker Wind, das flache Wasser aufzupeitschen und eine Trübungsfahne in die Fahrrinne zu drücken. Je nach Windrichtung und Stärke würde ich diese trüben Zonen mit weniger als einen Meter Sichttiefe zunächst vermeiden und klares Wasser aufsuchen. Da der Wind hier dicht an der Küste schnell auffrischen kann, ist möglicherweise ein Platz, der gestern noch gut war, heute schon eingetrübt und weniger fischreich.
SUCHEN ODER PARKEN?
Die spezielle Angelei an den steilen Scharkanten bringt übrigens immer einen kleinen Zwiespalt mit sich: Soll ich die Hechte suchen und driften oder lieber einen Platz genau ausfischen? Mittlerweile sieht man dort kein Boot mehr ohne einen GPS-gesteuerten Frontmotor, mit dessen Hilfe die Kante abgefahren wird. Die Angler werfen dann ihre Köder ins Flachwasser und fischen die Kante zum Tiefen ab. Ich glaube allerdings, dass diese Methode nicht zwangsweise die beste ist. Sicher, man sucht schnell und effektiv viel Wasserfläche ab. Aber meine Erfahrung zeigt, dass sich Geschwindigkeit bei steilen Scharkanten auch negativ auswirken kann. Nicht immer sind die Hechte nämlich willens, die zwei oder vier Meter nach oben zu schießen, um den flach eingeleierten Köder zu attackieren.
Es kann sich durchaus lohnen, an einem Platz zu ankern, wenn man dort Fische vermutet oder sogar einen Biss hatte. Oft stehen dort noch mehr Hechte auf kleinem Raum, an denen man schnell vorbeidriftet. Ich kann deshalb nur empfehlen, bei jedem Biss einen GPSMarker im Echolot zu setzen. Schnell ist man beim Drillen und Hakenlösen nämlich weitergedriftet und am Hotspot vorbeigetrieben. Es lohnt aber definitiv, diesen Punkt nochmal anzufahren und genau abzufischen.
Entsprechend dieser Taktik würde ich auch die Köder auswählen. Zum Suchen der Fische oder für die Flachwasserangelei sind Jerkbaits, Wobbler oder wenig bebleite Großgummis sicher gut. Für die steilen Kanten sind Gummis am Bleikopf und tiefer laufende Wobbler oft besser, die man sehr präzise an diesen Strukturen präsentieren kann. Gerade die sehr steil abfallenden Kanten bekommen von mir grundsätzlich mehrere Würfe eine Chance, denn nicht immer trifft man den Standplatz des Hechtes genau genug. Auch Fehlwürfe, bei denen man Kraut einsammelt, müssen nochmal in dieselbe Bahn gesetzt werden, denn ein mit Kraut garnierter Köder wird garantiert keinen Hecht ans Band bringen. Die Köder dürfen übrigens nicht zu klein sein. Die Hechte fressen wirklich häufig Brassen. Dunkle, große Köder werden also gerne genommen. Wobei ich ehrlich gesagt nicht die Erfahrung gemacht habe, dass Veluwemeer-Hechte besonders wählerisch sind. Es ist eher wichtig, Köderfarbe und Laufverhalten nach Tageslaune und Wassertrübung auszuwählen. Wir haben manchmal sehr gut auf einen hochrückigen K3-Hybrida-Wobbler gefangen, einen anderen Tag ging der 30 Zentimeter lange Real Eel von Savage-Gear gut. Auch das Fliegenfischen mit großen Streamern funktioniert super an den Krautkanten.
Viel wichtiger als der beste Köder an der Schnur ist es, die Beißzeiten im Auge zu behalten. Tatsächlich läuft es morgens und tagsüber sehr gut, während spät am Abend die Beißerei meistens plötzlich stark einknickt. Die sogenannte „Blaue Stunde“ funktioniert an vielen Gewässern auf Hecht ganz gut, solange etwas Wind die Oberfläche bewegt. Hat man also die richtige Kante zur richtigen Zeit gefunden, kann man durchaus jederzeit mit kapitalen Fischen rechnen. Natürlich springen einem auch hier die Meterhechte nicht ins Boot, aber ein Fisch über 90 Zentimeter ist keine Seltenheit. Auch sehr große Fische über 1,15 Meter werden regelmäßig gefangen.