PRAXIS & GERÄTE Alte Eisen Aus dem Nähkästchen

Aus dem Nähkästchen


Wussten Sie, dass es schon im 17. Jahrhundert die ersten „Softbaits“ gab?

Von Thomas Kalweit

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Die allerersten Kunstköder waren nicht aus funkelndem Blech – sie wurden daheim mit Nadel und Faden aus Stoff zusammengenäht. Izaak Walton berichtete bereits 1653 in seinem „Compleat Angler“ von einem kunstvollen Stoff-Fischchen zum Salmonidenfang: „Es fängt die Forelle so gut wie die künstliche Fliege. Eine hübsche Frau mit geschickten Händen hat es nach dem Vorbild eines echten Fisches gestaltet: Der Körper besteht aus Stoff, bestickt mit einer Nadel. Der Rücken ist aus dunkler französischer Seide, an den Seiten etwas heller. Die Übergänge sind so perfekt, wie Du es Dir nicht vorstellen kannst, wie eine Elritze. Der Bauch ist bestickt mit weißer Seide und mit einem Silberfaden. Schwanz und Flossen bestehen aus dünn geschabten Federkielen, die Augen sind zwei kleine schwarze Perlen.“

 


 

Deutsche Softbaits

In Deutschland waren die ersten Stoffköder vergleichsweise plump. Baron von Ehrenkreutz verriet um die Mitte des 19. Jahrhunderts seine Geheimnisse über die Hechtschlepperei mit dem rotem Lappen: „Am hinteren Teile eines Kahnes wird eine mäßig lange Leine festgemacht und an dieser eine Doppelangel befestigt, die in einem Stückchen roten Tuch leicht versteckt ist. Man fährt nun schnell mit dem Kahne auf einem See, Flusse oder Strome hin und her. Der gierige Hecht schnappt nach dem roten Lappen, besonders wenn er mit einer Witterung bestrichen ist, und fängt sich fest.“ Mit Angel meint der Baron natürlich den Haken.
Schon hundert Jahre vor Ehrenkreutz war dieser Vorläufer des Hechtstreamers in Deutschland bekannt. Johann Georg Krünitz empfiehlt 1784 in seiner Enzyklopädie den roten Lappen sogar zum Dorschfang: „Bei dem Mangel des natürlichen Köders bedient man sich der von Blei oder Zinn gegossenen Fische, des roten Tuches, und der halb verdauten Fische, welche in dem Magen der gefangenen angetroffen werden.“ Aber auch zum Hechtfischen kennt Krünitz den Lappenköder: „Man pflegt auch die Hechte vermittelst einer so genannten Darge zu fangen, das ist eine messingene Angel mit einem roten Lappen, weil sie den roten Lappen für Rotaugen ansehen.“

 

 

 

So mag der erste „Softbait“ ausgesehen haben: Schon im 17. Jahrhundert angelte Izaak Walton mit solchen handgenähten Stofffischchen.
Darge hieß einer der ersten deutschen Kunstköder also. Wenn wir nach diesem Wort in alten deutschen Wörterbüchern suchen, dann werden wir 1793 in Adelungs „Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart“ fündig: „Als Darge, ein nur in der Mark Brandenburg übliches Wort, ist eine messingene Angel mit einem roten Lappen zu bezeichnen, vermittelst welcher die Hechte gefangen werden. Vermutlich von dem Niedersächsischen targen, zergen, reitzen. Im Schwedischen bedeutet targa zerreißen.“

Schnur im Mund

Die ausführlichste Anleitung des Schleppfischens mit dem roten Lappen verfasste Ambrosius Hauden 1727: „Darge, Derge oder Terge, wie es verschiedentlich genannt wird, heißt so viel als die Reizung, da man den Fisch terget, zerget oder reizet, dass er anbeißt. Es ist aber eigentlich eine Angel aus Messing, deren man sich in der Mark Brandenburg auf den Flüssen, meistens aber auf den Seen, um große Hechte zu fangen, wiewohl nur zur Lust, bedient. Denn sonst ist das Dargen, weil damit großer Schaden geschieht, und der Hecht häufig aus dem Wasser geschleppt wird, in der Chur-Brandenburgischen Fischer-Ordnung vom Jahre 1690 unter dem verbotenen Fischer-Zeuge, ausdrücklich benannt. Man fährt in einem Kahne, ziemlich schnelle herum, lässt die Darge an einer oft mehr als Klaffter-langen Schnur, woran weder ein Blei noch sonst was, ins Wasser hängen; da denn das nahe am Angel befestigte rote Stück Tuch, und die im Fortschwimmen beständig blinkernde Angel den Hecht anreizen, dass er darnach schnappet, und dadurch gefangen wird, manchmal auch mit der Schnur weit wegfährt, welches alles der Fischende gleich fühlen kann, weil man die von dem Roll-Holze abgewundene Darg-Schnur, so ein paar mahl dicker als ein Bind-Faden, im Munde, manchmal auch nur in der Hand, zu halten, solche dem Fische nachzulassen, und ihn hernach daran wieder zu sich zu ziehen pfleget.“

 

 


 

Der rote Lappen, ein toller Hechtköder aus dem 18. Jahrhundert.

Erste Blechköder

Auch die ersten deutschen kommerziellen Blechköder wurde in Erinnerung an den roten Lappen gefertigt: „Man hat Jahre hindurch beobachtet, dass Lachse, Huchen, Seeforellen, Saiblinge und Bachforellen im allgemeinen lieber auf vergoldete, Hechte, Zander, Barsche, Welse, Aitel etc. auf versilberte Spinner beißen, besonders auch auf solche versilberten Spinner, die auf einer Seite rot bemalt oder mit rotem Tuch besetzt sind“, verriet der Münchner Angelgerätehersteller Hermann Stork 1898.
Sogar Izaak Waltons Stoff-Fischchen wurde 200 Jahre später in etwas abgewandelter Form noch benutzt. Der englische Angelschriftsteller Francis Francis ließ den Leser 1877 in sein privates Nähkästchen blicken: „Ein einfach herzustellender und sehr effektiver Köder lässt sich wie folgt herstellen: Nehme einen dünnen Streifen Blei in geeigneter Länge, forme am breiteren Ende einen Fischschwanz und befestige eine Drahtöse am anderen Ende. Umwickle den Bleifisch vollständig mit Kammgarn oder Wolle, forme so einen Körper. Dann nehme zwei Streifen vom Glaceehandschuh, einen olivefarbenen für die Rückseite des Köders, und einen weißen für den Bauch. Sie müssen stramm über den Körper gespannt und zusammengenäht werden. Das dünne Leder sollte gut lackiert werden, der Fischschwanz wird wie üblich verdreht.“
Nehmen Sie doch auch einmal Nadel und Faden zur Hand, oder bekleben Sie eine Seite eines Silberblinkers mit rotem Stoff. Sicher lässt sich so noch der eine oder andere Hecht überlisten!
In der RAUBFISCH-Ausgabe 4/2008: Thomas Kalweit berichtet über geheimnisvolle Kunstköder aus Glas.

 

 

 

 

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