Stammt das erste deutsche Köderpatent aus Frankreich? Thomas Kalweit über eine verwickelte Geschichte.
Am 14. Januar 1897 meldete ein gewisser Heinrich Joseph Friedrich Haug, Kaufmann aus Metz in Lothringen, in London einen unscheinbaren Köder zum Patent an. Haug erklärt seinen „Spinning Bait“ wie folgt: „Meine verbesserte Konstruktion besteht aus einem einfachen Metallblech, das in besonderer Art und Weise geschnitten und gebogen werden muss. Das Blech muss zu diesem Zweck in die Form einer Speerspitze geschnitten werden. Dann werden zwei Schlitze parallel zur Achse eingeschnitten, um zwei Flügel zu erzeugen, einer auf jeder Seite der zentralen Achse. Diese Flügel werden dann entgegengesetzt hochgebogen.“
Der Haug-Spinner stammt aus einer Zeit, als die Wörter „Blinker“ oder „Wobbler“ noch gar nicht erfunden waren. Jeder Kunstköder – gleichgültig welcher Bauart – wurde damals „Spinner“ genannt. Heinrich Haug erklärte in seiner Patentschrift weiter: „Mein Köder hat den großen Vorteil gegenüber anderen in Gebrauch befindlichen Modellen, dass er nicht nur sehr billig und haltbar ist, er kann auch durch einfaches Verbiegen der Flügel an schnellere oder langsamere Strömungsverhältnisse angepasst werden.“
Bewegte Geschichte
Der Haug-Spinner ist wohl der erste deutsche Kunstköder, der unter einem Markennamen vertrieben wurde. Aber stammt er überhaupt aus Deutschland? Heinrich Haug hatte seinen Laden in der Friedensstraße 3 in Metz, einer Stadt im Westen Frankreichs. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) wurde Elsass-Lothringen und damit Metz für kurze Zeit dem Deutschen Reich zugeschlagen. Bei der Volkszählung 1900 gaben in Metz 78 Prozent der Einwohner Deutsch als Muttersprache an – viele deutsche Beamte und Soldaten waren dort stationiert. Im 1. Weltkrieg wurde Metz 1918 von französischen Truppen besetzt und dann wieder Frankreich zugesprochen. Bewegte Zeiten!
Der Haug-Spinner wurde auch in Frankreich vertrieben. So führte 1910 die französische Angelgerätefirma „Au Dragon“ den Köder als „Cuiller hélice Hécatombe“, was soviel wie Propellerspinner „Massenmord“ oder „Blutrausch“ bedeutet. Der Köder muss also sehr fängig gewesen sein.
Erfolg unübertroffen!
In der Erstausgabe des Standardwerks „Angelsport im Süßwasser“ von Dr. Heintz aus dem Jahr 1903 wird der Köder von Heinrich Haug in einer Anzeige angepriesen. Auch in der Deutschen Fischerei-Correspondenz, die im Mai 1902 in Dresden erschien, tauchte eine Werbung auf. „Erfolg unübertroffen! Der beste und billigste Spinner der Welt!“ Haug war kein Mann von Bescheidenheit, bei seinen Werbesprüchen hielt er sich nicht zurück.
Anfangs wurde der Köder noch von Haug selbst vertrieben und überallhin verschickt. 1910 tauchte er dann im Katalog der Deutschen Angelgeräte-Manufaktur von Fritz Ziegenspeck als „praktischer Köder“ mit der typischen Patent-Punze auf. Noch Anfang der 30er Jahre wird der „Original-Haugspinner“ im D.A.M.-Katalog geführt. Diesmal in „neuer verbesserter Form“ – die Lanzenspitzenform wurde mehr dreieckig – und seit dieser Zeit mit der eingestanzten Marke „Haugspinner“. Fritz Ziegenspeck zu diesem Köder: „Der beste Spinner für Forellen, Lachs und Hecht. Auch dieses Modell, dessen Deutsches Reichs-Gebrauchsmuster in meinem Besitz war, hat Nachahmung gefunden. Es handelt sich aber meistens um so schlechte Nachbildungen, dass die Originalware sofort zu unterscheiden ist.“ Ziegenspeck hatte Haug wohl die Rechte abgekauft. Jetzt, wo das Patent ausgelaufen war und andere Hersteller munter kopierten, änderte D.A.M. Form und Marke des Köders.
Einfach einkurbeln
Um das Jahr 1922 schrieb der Kölner Otto Berbig einen Aufsatz „Über die richtige Anwendung des Haugspinners“. Auch zu seiner Zeit war das Wort „Blinker“ noch nicht in aller Munde: „Während beispielsweise der Heintz-Spinner torkelnde, lavierende Bewegungen vollführt, sobald er ins Wasser geworfen wird, läuft ein richtig geführter Haug-Spinner horizontal im Wasser, gleich einem friedlich dahinschwimmenden Fischchen.“
Mit Haugs Erfindung wollte man keinen verletzten Köderfisch im Todeskampf imitieren, sondern „ein kleines unbedachtes Fischchen vortäuschen, das sich der ihm drohenden Gefahren nicht bewusst ist“. Berbig war ein Angelredakteur, genauer gesagt der Schriftleiter der Vereinszeitung des Rheinischen Fischereivereins.
Er erklärte weiter: „Man kann oft beobachten, dass auch kleinere Friedfische aller Art bis herab zu den Elritzen dem Haugspinner gierig nachlaufen. Da besonders der Döbel auf den kleinen Haugspinner hereinfällt, so sei dieser Spinner besonders denjenigen Forellenfischern empfohlen, die den Döbel als lästigen Beifisch der Forellengewässer betrachten und nicht gut loswerden können, denn ein Döbel ist bekanntlich weit schwieriger zu fangen als die Forelle.“
Um den Haug-Spinner noch fängiger zu machen, haben unsere anglerischen Großväter einen Wollpuschel auf den Haken geknotet oder einfach ein kleines Stückchen bunten Filz auf einen Drillingshaken gesteckt. Seit über 50 Jahren ist der Haug-Spinner komplett von der Bildfläche verschwunden. Vielleicht nimmt sich ja jemand irgendwann eine Blechschere zur Hand…