PRAXIS & GERÄTE Tipps & Rigs Doping für Köderfische

Doping für Köderfische

Alarmstufe Rot: Der neueste Schrei sind Hechtlockstoffe, die den Köderfisch nicht nur aromatisch, sondern auch farblich aufpeppen. Von Deadbaiting-Experte Thomas Kalweit

Es ist inzwischen allseits bekannt, dass Hechte auch gerne mit der Nase auf Beutefang gehen. Vor allem die dicken, trägen Hechtmuttis leben oft als reine Aasfresser. Damit sie unsere Köderfische schneller finden, legen erfahrene Deadbaiting-Profis eine verführerische Duftspur.

SARDINEN-ÖL

Der Klassiker! Sardinen-Öl ist zweifellos einer der besten Hechtlockstoffe, aufgrund der dickflüssigen Konsistenz des Öls aber nicht für extreme Kälte geeignet. In England ist es als „Pilchard Oil“ im Handel. Bei uns in Deutschland im gut sortierten Karpfenangler-Fachgeschäften, vor allem online, erhältlich. Aber Achtung: Fischöle werden schnell ranzig, steht die Flasche länger im Angelladen und ist sie schon eingebeult, dann nicht mehr kaufen. Frisches Öl im Kühlschrank aufbewahren und innerhalb eines Jahre aufbrauchen. Für den Einstieg geht auch das Öl aus einer Sardinendose.

Findet sich im Angelladen kein frisches Sardinenöl, dann kann notfalls auch auf Sardinen in der Dose zurückgegriffen werden.

LEBERTRAN

Lebertran wird aus Dorschleber hergestellt. Sehr leicht verdaulich, reich an Omega-3-Fettsäuren und vielen auch für Fische lebenswichtigen Vitaminen. In jeder Apotheke preiswert zu bekommen, zwar fast geruchslos, dafür aber mit penetrantem Geschmack. Ein relativ dünnflüssiges Fischöl, mit dem man andere Fischöle strecken und verdünnen kann.

Hochwertige Fischöle bekommt man im Zoohandlungen oder kann sie im Internet bestellen.

MING-ÖL

Beim Ming-Öl (wahrscheinlich von englisch „to mingle“ = vermischen) handelt es sich um mit dünnflüssigem Pflanzenöl gemischtes Fischöl, das besonders für den extremen Wintereinsatz geeignet ist. Weizenkeimöl ist beispielsweise besonders dünnflüssig, halbwegs preiswert und dazu geschmacksneutral. Viele andere Pflanzenöle, wie Olivenöl oder Rapsöl, werden bei Wintertemperaturen sehr zähflüssig, sind also vollkommen ungeeignet und lassen sich bei Frost nicht mehr durch eine Spritzennadel pressen, geschweige denn, dass sie sich im Wasser noch verteilen. Ming-Öl war früher verschiedentlich in England erhältlich, muss man sich inzwischen aber selbst mischen.

MILCH

In der Wasser-Fett-Emulsion Milch lassen sich viele Öle hervorragend lösen. Vollmilch enthält 3,5 bis fünf Prozent Fett. Der natürlich enthaltene Emulgator Lezithin sorgt dafür, dass die Fetttröpfchen in Lösung bleiben. Kauft man sich als Hechtangler Magermilch, aus der fast das ganze Fett entfernt wurde, kann man problemlos entsprechend Fischöle hinzugeben, ruhig deutlich mehr als fünf Prozent. Mit einer Spritze in den Köderfisch injiziert, verbreitet sich unter Wasser eine verführerisch weiße Lockwolke, die nach Fisch duftet und viele für Raubfische anziehend wirkende Proteine enthält.

Lachsöl und Milch vor dem Schütteln...
...und nach dem Schütteln. Das Fischöl verbindet sich mit der Milch und kann nun mit einer Spritze in den Köderfisch injiziert werden.

LACHSÖL-KAPSELN

Sie sind mittlerweile in jedem Billig-Discounter und Drogerie-Markt erhältlich: Lachsöl-Kapseln mit angeblich lebensverlängerndem Omega-3-Fischöl. Man kann sie anstechen und ins Köderfischmaul stopfen oder auch auf einen Drillingshaken stecken. Im Wasser löst sich die Gelantinekapsel langsam auf, sie wird ganz weich und gibt das lockende Fischöl an die Umgebung ab. Lachsöl kann man im guten Heimtierbedarf auch in Flaschen kaufen, ein super Locköl auf Hecht und Zander.

Lachsölkapseln sind in jedem Supermarkt zu finden.

PIKE FLAVOURS

Viele Hechtlockstoffe bestehen zu einem Großteil aus Glyzerin (glycerol flavours). Glyzerin wirkt wie das Lezithin der Milch als Emulgator und sorgt dafür, dass sich Öle in Wasser lösen können. Man kann also gut viele Hecht-Flavours mit etwas Fischöl und Wasser mischen. Leider ist Glyzerin auch ziemlich zähflüssig. Viele Hechtlockstoffe passen deshalb auch nicht unverdünnt durch eine Spritzennadel. Deshalb den Flavour vorher mit etwas Wasser verdünnen, vor allem bei Frost.

Im Fachhandel gibt es viele Hecht-Duftstoffe, zu den fängigsten gehören Makrele, Aal, Stint und Neunauge. Die Sprüharomen von PikePro färben die Köderfische zuzätzlich.

PIKE CLOUD

Der bekannte englische Hechtangler Eddie Turner hat mit seiner Pike Cloud eine leuchtend grüne oder feuerrote Farbstoffwolke mit Fischaroma entwickelt. In den Köderfisch injiziert, bildet sich unter Wasser eine bunte Lockwolke. Besonders fortgeschrittene Hechtangler geben etwas „Pike Cloud“ zusammen mit Fischöl und essbarem Glitter aus dem Bäcker-Bedarf (zum Beispiel Rainbow Dust Edibel Glitter) in ein PVA-Säckchen, das am Drillingssystem befestigt wird. Beim Absinken des Köderfischs bildet sich unter Wasser eine scheinbare Blutwolke voller glitzernder Fischschuppen. Bezug der Pike Cloud: www.eddieturner.co.uk. Das Goo der Karpfenangler (im Fachhandel, Bezug über Korda) kann in fischigen Aromen ebenfalls beim Raubfischangeln eingesetzt werden. Am Grund bildet es eine besonders fluo- reszierende Lockwolke.

Eine ziemliche Sauerei! Aber besonders bei klarem Wasser und hellem Sandgrund kann ein rot eingefärbter Köderfisch den Unterschied machen.
Wer etwas Glitter aus dem Backbedarf mit Fischöl vermischt und es in ein PVA-Netz füllt, täuscht den Hechten eine duftene Fischschuppenwolke vor.

SMELT

Künstliches Stintaroma riecht wie die kleinen Fische nach frisch aufgeschnittener Salatgurke und überhaupt nicht nach Fisch. Beim ersten Einsatz kann man kaum glauben, dass sich damit Hechte fangen lassen. „Smelt“ fängt aber auch dort sehr gut, wo die Hechte noch nie einen Stint zu Gesicht bekommen haben. Anscheinend ist das gurkige Stintaroma in ihrem genetischen Gedächtnis verankert, jedenfalls stehen Hechte überall darauf, europaweit.

GRAYLING

Die Äsche, noch eine Fischart, die nicht wirklich nach Fisch riecht. Wie der lateinische Name Thymallus thymallus verrät, duftet sie ganz leicht nach Thymian. Dieser Hecht-Lockstoff funktioniert hervorragend in stark befischten Gewässern und auch in solchen Gewässern, in denen Äschen vorkommen. Das ist vor allem in vielen Seen und Flüssen Skandinaviens der Fall, aber auch in deutschen Mittelgebirgsflüssen. Ist momentan leider überall ausverkauft. Sollte man es irgendwo im Internet entdecken – kaufen!

LAMPREY

In England, dem Mutterland des Hechtangelns mit totem Köderfisch, sind tote Neunaugen in jedem Angelladen tiefgefroren erhältlich. Sie zählen dort nicht zu den geschützten Arten, kommen vor der Küste noch sehr häufig vor und dürfen deshalb als Köderfische verwendet werden. Nicht so bei uns! Trotzdem stehen auch unsere Hechte auf die blutigen Säfte dieser als Blutsauger lebenden Parasiten. Der Flavour „Lamprey“ versucht diesen typischen Duft nachzuahmen, vor allem in der Kombination mit Köderfischblut. Bezug: www.eddieturner.co.uk

Dieser fetten Bodden-Hecht konnte Thomas Kalweit mit einem großen toten Rotauge mitten aus einem riesigen Futterfischschwarm kitzeln.

EEL

Vor allem in küstennahen Gewässern oder auch unterhalb von Wasserkraftanlagen an Staustufen stehen Hechte auf das Aroma von toten Aalen. Viele englische Raubfischangler waren an solchen Gewässern früher mit Aalstücken sehr erfolgreich, jetzt darf diese bedrohte Fischart nicht mehr als toter Köderfisch eingesetzt werden. Aber das Aal-Aroma gibt es zu kaufen, ob es wirklich wie tote Aale riecht, ist fraglich. Hauptsache ist, dass es fängt! Bezug: www.eddieturner.co.uk

SPRÜH-FARBE MIT FLAVOUR

PikePro hat praktische Sprühzerstäuber mit Hechtlockstoff und Köderfischfarbe im Angebot. „Mackerel Flavour Yellow“ färbt die Köderfische gelb und gibt ihnen ein lockendes Makrelen-Aroma, vor allem, wenn man es vor dem Einfrieren in den Gefrierbeutel gibt. Die blutrote Variante riecht nach Lamprey (Neunauge) und imitiert das besonders hämoglobinreiche Blut dieser Schmarotzer, auf das Hechte besonders stehen. Es gibt die Sprühfarbe auch ohne jeden zugesetzten Duftstoff. Bezug über www.ebay.co.uk

MONSTER CRAB

Einer der durchschlagendsten RaubfischLockstoffe ist Monster Crab. Der Geruch ist so extrem, dass man so ein Fläschchen von Rod Hutchinson (Karpfenanglerbedarf) nicht im Haus aufbewahren kann. Selbst mehrfach in Plastiktüten oder Schraubgläser verpackt, verbreitet sich der durchdringende und penetrante Fischgeruch dauerhaft überall. Am besten bewahrt man das Fläschchen gut verpackt im Gartenhaus oder in der Garage auf. Bezug: www.baitservice-straubing.de

ASIATISCHE FISCHSAUSSEN

Hervorragend geeignet, sind auch preiswerte Fischsaußen aus dem Asialaden. Sie werden aus fermentierten Fischen hergestellt, sind also reich an Aminosäuren. Ihr Vorteil: Sie sind viel dünnflüssiger als Öle, also besonders für den Wintereinsatz zu empfehlen. Im Asialaden gibt es verschiedenste Sorten, ich habe besonders mit der original thailändischen „Squid Brand“ gute Erfahrungen gemacht. Diese Soße enthält 18 Monate lang vergorene Sardellen (77 Prozent!) und viel Salz, beides gute Fischlockstoffe. Sie ist besonders proteinreich. Auch original asiatische, dünnflüssige Austernsauce (zum Beispiel Nam Pla) kann verwendet werden.

Thomas Kalweit benutzt als Hechtlockstoff gerne die thailändische Fischsoße „Squid Brand“. Sie enthält 18 Monate lang vergorene Sardellen.
Asiatische Fischsauße ist besonders dünnflüssig und daher auch für den Wintereinsatz geeignet.

HECHTE AUF FRUCHT

Seltsamerweise beißen Hechte auch besonders gut auf künstliches Erdbeer-Flavour. Dieses Aroma wird bekannterweise nicht aus Früchten, sondern aus Schimmelpilzkulturen und Sägespänen hergestellt. Offenbar ist darin ein chemischer Marker enthalten, den Hechte besonders anziehend finden, ohne dabei gleich an Erdbeeren zu denken.

GEHEIMTIPP WODKA

Der irische Hechtangler-Guide Dave Mason hat mit Meersköderfischen wie Sardinen oder großen Sprotten, in die er zuvor Wodka injiziert hatte, zahlreiche 30-Pfund-Hechte überlisten können. Sogar einen Riesen von über 39 englischen Pfund. Offenbar dient der fast geruchslose Alkohol als Lösungsmittel und sorgt dafür, dass sich die lockenden Fischsäfte besonders gut im Wasser verbreiten. Übrigens hat Wodka auch beim Welsangeln in Spanien (darin getränkte Heilbutt- Pellets) funktioniert.

Hecht-Lockstoffe selbst gemischt…

Vor allem bei trübem Wasser und Wetter müssen sich die Hechte auf ihre Nase verlassen. Hier hat sie den Esox zielgenau zum Köderfisch geführt.

SPRITZENKUNDE

Zum Aufpeppen von Köderfischen sind nur Spritzennadeln mit extremem Durchmesser geeignet. Solche werden eigentlich nur von Tierärzten eingesetzt. Durch eine normale Kanüle, wie sie bei uns Menschen verwendet wird, lässt sich im Winter Fischöl nicht pressen, sie ist viel zu dünn. Zum Glück haben die Firmen Greys und Fox spezielle Spritzensets für Hechtangler im Angebot, sodass man in der Apotheke nicht peinlich herumdrucksen muss.

ACHTUNG: Beim Hantieren mit einer Spritze mit Kanüle ist immer äußerste Vorsicht geboten! Versehentliches Injizieren von Luft oder Lockstoffen ins eigene Fleisch kann lebensgefährlich werden. Wer auf Nummer sicher gehen will, spritzt den Köderfischen mit einer Pipette oder einer Spritze ohne Nadel die Locklösung vor dem Einfrieren ins Maul. So zieht die Lösung lange Zeit ins Fischfleisch ein, und man veranstaltet am Wasser keine Sauerei.

Zum Injizieren von Lockstoffen eignen sich nur Spritzennadeln mit großem Durchmesser, wie sie von Tierärzten benutzt werden.
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