Spannende Kuriositäten ranken sich um so manchen Kunstköder. Thomas Kalweit kennt die Hintergründe und stellt Ihnen in unser neuen Serie unvergessene Verführer vor. Den Anfang macht der „Turbler“ der Deutschen Angelgeräte Manufaktur (D.A.M.).
Thomas Kalweit
DAM-Turbler aus Kunststoff und Metall.
1968: In Deutschland gehen die Studenten auf die Barrikaden, die Deutsche Angelgeräte-Manufaktur bringt den Turbler auf den Markt. Auf Seite 63 des kleinformatigen Kataloges wird die trompetenförmige Novität erstmals angeboten: „Das ist die sensationellste Neuentwicklung auf dem Gebiet der Kunstköder. In der Erprobung bisher unerreichte Fangresultate, erzielt in allen Teilen des Kontinents, machen den Turbler zum überragenden Köder der kommenden Jahre.“
Im Grunde war der neue Köder mit seinen beiden Propellerflügeln eine Weiterentwicklung des klassischen, englischen Devon-Spinners von 1880. Unterschied: Der Turbler war hohl. „Die trichterförmige Öffnung und sein enger Kanal erzeugen bei der in den Köder eindringenden Wassermenge hohe Druckverhältnisse“, berichten die Konstrukteure im Katalog.
Jan Lock
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Historische Anzeige von D.A.M.
Im ersten Jahr kam der Wirbelwind in den Farben Silber-Blau und Gold-Grün in die Angelläden. Im Folgejahr wurde das Sortiment dann noch um Gold-Braun ergänzt. Der Katalog des Jahres 1969 führt dann die ersten Erfolge des Turblers auf: Hecht 20 Pfund, Zander 17 Pfund, Forelle 5 Pfund… In einer ganzseitigen FISCH & FANG-Anzeige schwärmt der Hersteller: „Das ist tatsächlich der fängigste Raubfischköder, den wir je hatten.“
Jan Lock
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Der wohl älteste Turbler, „aufgestöbert“ in der Nähe von Köln.
1970 wurde die Turbler-Palette durch leichte Plastik-Modelle ergänzt. Die ursprüngliche, schwere Metall-Version hatte zwar „seine hervorragende Fängigkeit, besonders in fließenden Gewässers, unter Beweis gestellt“, im Stillwasser funktionierte sie allerdings offenbar nicht so gut. Zwar sollte man den Metall-Turbler mit einem Plastik-Stift auch für die Stillwasser-Angelei umrüsten können, doch war der neue Turbler S aus Kunststoff nun besser „für stehende und leicht fließende Gewässer geeignet“. Ein Manko: Er war extrem leicht und deshalb kaum zu werfen.
Im D.A.M.-Jubiläumskatalog von 1975 erschien die Turbler-Familie ein letztes Mal (eine Farbe war bereits ausgestorben), im Folgejahr war der extravagante Köder nicht mehr im Programm.
Jan Lock
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Stammen diese Turbler etwa aus der Kölner Werkstatt Schrader?
Wer hat’s erfunden?
Aber wo liegt nun das Turbler-Rätsel? In den letzten Jahren tauchten im Kölner Umland seltsame Vorläufer-Modelle auf. Die wohl ältesten sind nahezu baugleich mit dem D.A.M.-Turbler, stammen aber nach Bauweise und „Fundzusammenhang“ wohl aus den 40er oder 50er Jahren. Ich konnte sie allesamt zusammen mit rheinischem Angelgerät aus der Nachkriegszeit auf Flohmärkten erstehen.
Sehr wahrscheinlich wurden sie von Meister Schrader in Köln zusammengelötet. Schrader besaß damals direkt am Dom ein bekanntes Angelgeräte-Fachgeschäft. Mit einem Monokel im Augenwinkel bediente er seine Kunden, in der Werkstatt stanzte er nach Feierabend abenteuerliche Köder aus Blechen heraus. Mit Pinsel und Farbe verlieh er ihnen – so gut es mit Monokel eben ging – ein fängiges Äußeres. In den Handel kam der Köder damals als „Schrader-Devon“ in gold, silber und bunt.
Jan Lock
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LUWI-System von NDM aus München.
Doch damit nicht genug, der „Köder-Krimi“ geht weiter: Dem Kunstköder-Kenner Volker Lorenz aus Kirchheim bei Heilbronn wurde ein weiterer, vermeintlicher Turbler-Prototyp angeboten. Der Köder hat den Namen „LUWI-System“ und wurde von der Firma NDM aus München vertrieben. Wann er verkauft wurde, ist noch unklar, wahrscheinlich in den 60er Jahren. Viel mehr wissen wir bisher nicht über den Turbler. Noch nicht einmal die Firma D.A.M. konnte auf Nachfrage Licht ins Dunkel bringen. Die Sache bleibt also spannend. Zum Thema Turbler sagt Lorenz: „Noch nie einen Fisch damit gefangen, aber ein origineller Köder, der in keiner Sammlung fehlen darf.“ Ganz meine Meinung!
Sollten Sie das Rätsel um den Turbler lösen können, melden Sie sich bei: Thomas Kalweit, Telefon 02604/978175, E-Mail: thomas.kalweit@paulparey.de. Im Heft 2/2006: der Nevison Minnow von Allcocks.
Aus Konservendosen gefertigt – die DDR-Version eines französischen Vorläufers.
Leserbrief zum „Turbler-Rätsel“ in Heft 1/2006
Meinen ersten Kontakt mit dem Turbler-Köder hatte ich 1943 bei einem französischen Kriegsgefangenen. Er fertigte diese hohlen Köder mit Propellern an, und wir beide haben damit an Haselnuss-Ruten mit Zwirnsfaden erfolgreich gefischt. Damals gab es in Sachsen-Anhalt kaum richtiges Angelgerät. Anfang der 60er Jahre habe ich dann aus Konservendosen diese Turbler nachgebaut, sogar einzelne Modelle nach Helmstedt und Dresden verkauft. Der Köder war in der damaligen DDR sehr erfolgreich auf Hechte, Zander, Rapfen und Forellen. Sogar Graskarpfen bis 12,6 Kilo konnte ich damit erwischen.
Dass der Köder später von verschiedenen Firmen hergestellt wurde, habe ich erst aus dem letzten RAUBFISCH erfahren. (Leserbrief von Wilhelm Klatt, Gardelegen)