PRAXIS & GERÄTE Tipps & Rigs Abwechslung mit totem Köderfisch

Abwechslung mit totem Köderfisch

Erster Esox: Bereits nach wenigen Minuten packt sich dieser Hecht den auf Grund gelegten Stint.

Dass das Angeln mit Köderfisch ähnlich abwechslungsreich sein kann wie das Spinnfischen, demonstrieren Matze Koch und Thomas Kalweit. Von Markus Heine

Von wegen milder November – die Aussichten für die nächsten Tage sind grausig: Wintereinbruch mit Schneetreiben, Orkanböen bis Windstärke 12! Wer jetzt glaubt, dass man bei solch einem Mistwetter lieber zu Hause bleibt, der irrt. Die beiden Naturköder-Spezialisten Thomas Kalweit und Matze Koch trotzen nicht nur diesen widrigen Bedingungen, sondern wollen auch noch einige Hechte überlisten. Als Zeugen mit von der Partie, die Kameras im Anschlag: mein Kollege Dustin und meine Wenigkeit.

Schon bei unserem letztjährigen Treffen mit Matze Koch in Ostfriesland wollten uns ähnliche Bedingungen die Reportage vermiesen. Matze wäre jedoch nicht Matze, wenn er nicht dennoch einige gute Hechte erwischt hätte, vorzugsweise auf kleine Rotaugen und Brassen, die er mal stationär, mal treibend präsentierte.

Viele Angler sitzen heute kaum noch mit Köderfisch an, weil sie meinen, dass das Spinnfischen wesentlich erfolgreicher sei. Nicht so Matze Koch: „Es gibt Bedingungen, bei denen ein totes Rotauge fängiger als ein Wobbler oder Gummifisch ist.“ Thomas Kalweit pflichtet ihm bei: „Zum Beispiel im Winter, wenn die Hechte eher träge sind. Von daher finde ich das heutige Sauwetter gar nicht schlecht. Typisches Hechtwetter eben!“

So mancher Spinnfischer wird erstaunt darüber sein, wie variantenreich das Angeln mit dem toten Köderfisch sein kann. „Und genau das wollen wir heute zeigen“, erklärt Matze den Plan für den vor uns liegenden Angeltag. „Wie beim Spinnfischen gibt‘s auch beim Naturköderangeln Methoden, die spezielle Nischen füllen. Drei davon werden Thomas und ich heute vorstellen: Meeresfische als Köder, das Angeln mit der Segelpose und die freie Leine.“

In England als Köder der Renner, in Deutschland Hinterbänkler: Meeresfische wie Stint oder Makrele (unten).

Meeresfisch im Süßwasser

In England vertraut nahezu jeder versierte Hechtangler bei der Köderwahl auf Meeresfische. Dagegen haben sich Makrele & Co. in Deutschland nicht durchsetzen können. Einen plausiblen Grund dafür gibt es nicht. Zwar fangen Meeresfische nicht in jedem Gewässer und bei allen Bedingungen, aber sie fangen. Man muss seinem Köder eben das nötige Vertrauen schenken. So macht es Thomas Kalweit: „Mein Lieblingsköder auf kapitale Hechte ist die Makrele – eindeutig!“

Doch welche Vorteile bieten Meeresfische gegenüber herkömmlichen Ködern? Zuerst riechen sie viel intensiver als Rotaugen oder Brassen, so dass der Hecht sie schneller findet. Deshalb trumpfen sie vor allem bei widrigen Bedingungen auf, z.B. bei starkem Frost, hohem oder trübem Wasser. „Dagegen fängt man mit Meeresfisch im Sommer und bei klarem Wasser eher schlecht“, weiß Matze Koch zu berichten.

Thomas über die weiteren Vorteile von Makrele & Co.: „Sie sind problemlos im Fischladen erhältlich und fangen gezielt Hechte. Denn Aale, Zander, Barsche und Welse scheinen die Stinker nicht zu mögen.“ Während Thomas und Matze noch über das Für und Wider des Meeresfischs diskutieren, ruft Dustin plötzlich zu uns herüber: „Hier beißt‘s!“ Wie von der Tarantel gestochen, rennt Matze zu seiner etwa 30 m entfernt liegenden Rute. Thomas schnappt sich den Kescher. Als er am Ort des Geschehens ankommt, hat Matze bereits  Kontakt zum Fisch aufgenommen und zieht ihn unter der Brücke hervor. Die Rute biegt sich ordentlich. Der Fisch ist chancenlos, und schon bald umgarnen ihn die Keschermaschen. „Der hat sich den auf Grund gelegten Stint gepackt“, sagt Matze, hält den 86er Hecht kurz in die Kamera und setzt ihn dann behutsam zurück.

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Der Stint gehört an den holländischen  Poldern zu den besten Ködern. Thomas weiß, warum das so ist: „Der Stint lebt in den Brackwassergebieten der Flussmündungen. Die holländischen Hechte kennen seinen Gurkengeruch deshalb ganz genau.“ Das soll allerdings nicht heißen, dass Meeresfische nur dort fängig sind, wo sie natürlicherweise auch vorkommen. Das beste Gegenbeispiel Gegenbeispiel liefert die Makrele. „Damit fange ich auch zu Hause am Baggersee spitzenmäßig“, sagt Thomas. „Und der hat sicher keinen Zugang zur Nordsee.“ Meeresfische ködert man am besten an einem System aus zwei Drillingen der Größen 6 oder 8 an. „Die salzigen Köder werden hart genommen, weshalb der Angler schnell anschlagen sollte“, empfiehlt Matze. „Kleine Drillinge fassen dabei besser im Hechtmaul als große.“

Auf Stint gefangen: Thomas (l.) und Matze freuen sich über einen 87 cm langen Hecht.

So weit die Segel tragen

Der auf Grund gelegte Stint hat an diesem Morgen schon den gewünschten Erfolg gebracht. „Aber wer weiß, vielleicht mögen die Hechte heute auch einen treibenden Köder“, mutmaßt Thomas und montiert einen Segelschwimmer. „Diese Methode wurde eigentlich zum Angeln mit lebendem Fisch erfunden.“ Um ein Gewässer damit systematisch nach Hechten abzusuchen, muss es möglichst gleichmäßig tief sein – am besten schon nah am Ufer. Denn ein Segelschwimmer lässt sich nur wenige Meter hinausschlenzen.

Dementsprechend sanft schwingen Matze und Thomas dann auch ihre Montagen aus, so dass wenig später zwei rote Segel den trüben Poldergraben schmücken. Zwar bieten die schmalen Kanäle nicht gerade optimale Voraussetzungen für diese Methode, das stellt für Matze allerdings kein Problem dar: „Man kann die windanfälligen Posen ja auch gut unter Brücken und in Rohre treiben lassen.“

Zum Angeln mit der Segelpose ist aufeinander abgestimmtes Gerät notwendig, sonst klappt gar nichts. „Am besten, man hat mindestens 200 m schwimmende Geflochtene auf der großspuligen Rolle“, rät Thomas. „Die Endmontage mit Segelschwimmer befestige ich an einem etwa 3 bis 4 m langen Stück 0,35er Monofil. Ich schalte es vor die Geflochtene, um so Verhedderungen vorzubeugen. Mit steifen, etwa 3,90 m langen Karpfenruten bringt man den Anschlag auch auf extreme Entfernung durch. Dabei sollte man ruhig einige Meter zurücklaufen, um die Schnur zu spannen.“

Vom Winde verweht: An der Segelpose treibt der waagerecht angeköderte Weißfisch weit nach draußen.

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Des Weiteren empfiehlt Thomas, möglichst Köderfische mit breiter Flanke zu benutzen, z.B. Rotaugen und Brassen. Er montiert sie waagerecht hängend, wobei er den unteren Drilling im Bereich der Brustflossen und den oberen unter der Rückenflosse anbringt. Aber auch kopfüber präsentierte Köderfische fangen: Schließlich schweben schlafende Rotaugen oft mit dem Kopf nach unten im Mittelwasser.

Auch Matze montiert den Köderfisch gerne auf diese Weise. „Besonders bei stärkerem Wind. Außerdem benutze ich dann Schwimmer mit kleinerem Segel oder verzichte ganz darauf, um die Drift zu verlangsamen.“ Wie erfolgreich das ist, beweist uns ein Hecht, der sich das an einer normalen Korkpose treibende Rotauge schnappt. Anschlag, Drill und Landung gelingen problemlos, so dass Thomas und Matze bald über einen fast 90 cm langen Hecht um die Wette strahlen.

Hot Spot: Stege gehören an den holländischen Poldern zu den besten Stellen.

Freie Leine für zaghafte Hechte

Zwei Bisse, zwei Hechte. Doch nicht immer sitzt der Anschlag beim Angeln mit Naturködern, Fehlbisse kommen wie beim Spinnfischen immer vor. In solchen Fällen vertraut Matze einem ganz besonderen Trick: „An der freien Leine schnappt der Hecht oft nochmal zu. Schließlich spürt er absolut keinen Widerstand und schöpft kein Misstrauen.“ Kein Wunder, schließlich wird das Stahlvorfach bei dieser Methode direkt an die Hauptschnur geknüpft. Weder Pose noch Blei setzen dem beißenden Fisch auch nur einen Hauch von Widerstand entgegen. Der freien Leine sind enge Grenzen gesetzt. So taugt sie nicht für Weitwürfe und besteht auch nicht bei starkem Wind. Aber in bestimmten Situationen, z.B. bei heikel beißenden Fischen, ruhigen Bedingungen und nah am Ufer, ist diese Methode unschlagbar. „Wenn die Hechte sehr träge sind, lupfe ich den Köderfisch hin und wieder ein wenig an. Das macht sie neugierig und bringt sie auf Trab.“ Ausnahme: die Makrele. Nimmt Matze sie als Köder, verzichtet er aufs Anlupfen.

Zum Nachmittag hin frischt nicht nur der Wind mächtig auf, auch die Temperaturen fallen spürbar um ein paar Grad. Die Hände in den warmen Jackentaschen vergraben, beobachten wir Thomas‘ Pose, die einen kleinen Stint an einem tiefen Abschnitt des Polders hält. „Das  sieht aber seltsam aus …“, beurteilt Dustin das Spiel des Schwimmers auf dem gekräuselten Wasser. Thomas mblickt genauer hin, packt sich die Rute und nimmt Fühlung auf. Als er deutlichen Widerstand spürt, schlägt er an – und schon wieder sitzt der Anhieb! 87 cm misst der fette Hecht, ganz knapp sitzt ein Drilling im Maulwinkel. „Was für ein geiler Angeltag“, sagt Matze freudestrahlend und klopft Thomas auf die Schulter. „Zwar stach von unseren drei Spezialmethoden nur der Meeresfisch – der stach aber richtig!“

Extra-Tipp

Ob Rotauge oder Brassen, Stint oder Makrele: Tote Köderfische lassen sich mit verschiedenen Hilfsmitteln leicht aufpoppen, so dass sie verführerisch überm Grund schweben. Das gelingt nicht nur, indem man ihnen Luft injiziert oder Styropor bzw. noch besser ein Balsaholzstäbchen in den Köder steckt, sondern klappt auch mit schwimmendem Forellenteig. Dieser hat nicht nur eine auftreibende Wirkung, sondern duftet auch sehr verführerisch. Das liefert den Raubfischen an manchen Tagen den entscheidenen Reiz, um den Köder zu nehmen.

Mit Styropor sollte man die Ködermakrele aus Gründen des Umweltschutzes besser nicht vollstopfen. Schwimmender Forellenteig ist eine mögliche und zudem lockende Alternative.
Das Aufpoppen des Köders gelingt auch mit einem Stäbchen aus Balsaholz, das am Stahlvorfach befestigt ist. Einfach in die Makrele schieben, die Drillinge befestigen - fertig!
Matze Koch mit dem besten Hecht des Tages: ein Fisch von fast 90 cm.
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