Thomas Kalweit über den ehemals wichtigsten Kunstköder Europas, den Devon-Spinner.
Nebel liegt über dem südwestlichen Zipfel Englands. In Exeter, der Hauptstadt der Grafschaft Devon, lötet ein gewisser F. Angel 2 Propellerflügel an ein Röhrchen aus dünnem Blech. Angel bedeutet Engel, und so sieht auch seine Köder-Erfindung aus. Er betrachtet sein funkelndes Meisterwerk gegen das flackernde Kerzenlicht: Mit den gespreizten Schwingen erinnert es ihn an die himmlischen Wesen.
Um 1820 hatte der Angelgeräte-Händler Angel den ersten Devon-Spinner der Welt konstruiert. Er rühmte sich aber nie, der Erfinder dieses Köders zu sein, noch hat er ein Patent darauf angemeldet. Möglicherweise geht seine Entwicklung auf den „Kill-Devil“ zurück, ein noch älteres Ködermodell aus Stoff mit schlabberigen Flossen, das um 1770 in Plymouth, natürlich in Devon, entwickelt wurde. Angels Köder war schwerer und ging selbst in starker Strömung auf Tiefe, außerdem ließ er sich hervorragend werfen. Die starren Propellerflossen sorgten für ein lockendes Rotieren.
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Fischschonende Devon-Spinner von Hardy aus der Vorkriegszeit: Sie kamen mit nur einem Drilling aus. |
Die ersten „Angels“ waren noch aus dünnem Blech zusammengelötet. Sie waren „ziemlich empfindliche Geschöpfe, nicht stark genug, um dem Verschleiß in reißenden und steinigen Flüssen zu widerstehen“, verriet der Angel-Autor A. Courtney Williams 1945. Mit 4 Drillingen an kleinen Seitenarmen verwerteten die wehrhaften Fischfänger jeden noch so zaghaften Zupfer. In alter Angelliteratur taucht der Devon-Spinner bis zum Ende des 19. Jahrhunderts entweder als „Angel“ oder als „Totnes Minnow“ auf. Später wurde daraus der „Angel-Devon“. Heutzutage ist er uns nur noch als Devon-Spinner bekannt.
Angels Köder wurden schnell so populär, dass er sogar seinen Bruder anstellen musste. Dieser führte einen Angelladen im Nachbarstädtchen Totnes. Auch nahm F. Angel Dr. Fisher aus Walreddon Manor in Totnes mit ins Boot. Alle 3 arbeiteten 50 Jahre zusammen, um den Angel zu perfektionieren.
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Natürlich hatte auch die „Deutsche Angelgeräte Manufaktur“ Devons im Angebot. |
Fishers Idee war es, den Köder aus nur einem Metallblock herauszuarbeiten. So war erstmals eine akkurate ovale Körperform möglich, auch konnte so das Gewicht der Köder deutlich erhöht werden. Die Firma verriet damals, dass „sie per Hand ausgebohrt und geschlitzt wurden, eine ermüdende und schwierige Arbeit, bei der durchaus 50 Prozent Ausschuss anfielen.“
Erst später wurden sie aus Metall gegossen. Diese Idee kam wohl W. Cuming, ein weiterer Angelgerätehändler aus Totnes, der Angel lange Jahre unterstützte. Cuming war handwerklich sehr begabt und stellte über lange Zeit die Werkzeuge und Gussformen für die Angels her. Erst in späteren Jahren produzierte er auf eigene Faust Devon-Spinner, vor allem aus Messing. Auch heute tauchen hin und wieder Köder auf, die seinen Namen tragen. 1883 gab er sein Geschäft auf und wanderte nach Neuseeland aus. Ein weiterer früher Hersteller von Devons war Rowe aus Barnstaple, einer der ältesten englischen Gerätehersteller, der ab 1840 Köder dieser Art produzierte.
Tödlich fängig
Vor einiger Zeit tauchte ein uraltes Werbeblättchen der Firma E.F. Prickman aus den 1880er Jahren auf. Der Schuhsohlen-Hersteller aus der North Street 12 in Exeter rühmte sich, der einzige Lieferant der echten Angels zu sein, er hatte wohl alle Rechte von F. Angel übernommen: „Nur echt mit dem registrierten Handelszeichen ‚Angel Totnes’, eingestanzt auf den Flügeln.“ Nur seine „Engel“ hatten auf der Internationalen Fischereiausstellung 1883 in London Diplom und Medaille verliehen bekommen, „die höchste Auszeichnung für Spinnköder“. Prickman schrieb: „Von jedem imitiert, aber nie erreicht, das original Angel- oder Totnes-Fischchen ist noch immer der führende Spinnköder in unserem Land. Viele andere Modelle wurden in der Zwischenzeit entwickelt und wieder vergessen. Die Verkaufszahlen unseres Köders steigen ständig, was seine tödliche Fängigkeit beweist.“
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So genannte „Slotted Devons“ mit Schlitz: Hier hat der Fisch keine Chance. |
Am 7. April 1881 erhielt Prickman eine Kundenzuschrift aus dem irischen Tipperary. Ein gewisser Captain Palliser lobte seine „besten Spinnköder auf Forelle und Lachs“: „In vielen Angelläden werden ähnliche Metallköder angeboten, die für das unerfahrene Auge wie ein Totnes-Fischchen aussehen. Aber jeder, der schon einmal mit dem Originalköder gefischt hat, kennt den Unterschied. Es ist die Form und der richtige Winkel der Brustflossen, deren Entwicklung dem alten Mr. Angel, dem Erfinder, so viel Zeit und Mühe gekostet hat, wie er mir einmal verriet.“
König der Köder
Vor allem bei Lachsanglern war der Devon beliebt – immer dann, wenn die Fliege bei steigendem und trübem Wasser versagte. Mit den kleineren Modellen fischte man im Fluss auf Forellen, die Riesen-Devons kamen auf Hecht und sogar in Indien auf Mahseer zum Einsatz. Der Devon ist zweifellos einer der erfolgreichsten Ködertypen aller Zeiten. Kein Modell hat eine so lange Zeit unverändert überdauert. Über hundert Jahre lang war er der wichtigste Kunstköder Europas, und bis heute wird er noch von Lachsanglern gefischt.
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Auch in Deutschland fand der Devon-Spinner seine Liebhaber. Der Münchener Angelgerätehersteller H. Stork schrieb schon 1898: „Der Devon-Spinner zählt zu den ältesten englischen Metallspinnern. Ich erinnere mich, denselben bereits vor 30 Jahren gesehen zu haben, und er erfreut sich noch heute, und das nicht mit Unrecht, der Gunst manches Anhängers in Angelsportkreisen. Tatsächlich arbeitet derselbe gut im Wasser, besonders in starker Strömung. Zuweilen lässt ihn der Fischer ganz auf den Grund und ruckt ihn langsam vorwärts, ähnlich dem Lauf einer Mühlkoppe oder der Bachgrundel, welche er imitieren soll.“
Das Problem des rotierenden Köders: Er verdrallte die Schnur, gute Wirbel waren Pflicht. Hersteller wie Hardy kamen auf eine andere Lösung, sie verkauften links- und rechtsdrehende Modelle. Der Angler musste den Köder nur alle 10 Minuten wechseln, dann hatte er mit Drall und Perücken kein Problem.
Anfangs strotzten die Devons nur so vor Haken an kleinen Seitenarmen, mit dem Ergebnis, dass der Köder sich beim Absinken ständig mit der Hauptschnur oder dem Vorfach verhakte. Auch wurde den Fischen beim Biss regelrecht das Maul vernagelt, arge Probleme beim Hakenlösen waren die Folge. Die späteren Devon-Modelle brauchten an der Seite keinen Schlitz mehr, um Platz für die ganzen Seitenarme mit Haken zu schaffen. Sie kamen nur noch mit einem fischschonenden Enddrilling aus. Heute werden auch Devons aus Holz oder Kunststoff hergestellt, um oberflächennah oder in flachen Gewässern fischen zu können.
„Es wäre in der Tat interessant zu wissen, wie viele Lachse, Forellen, Hechte und andere Fische in den letzten hundert Jahren ein Opfer des äußerst vorzüglichen Devons geworden sind. Die Zahl der Todesopfer, die auf die Engel hereingefallen sind, muss in die Hundertausende gehen, und der Köder ist heute wohl noch genauso populär wie früher“, schrieb A. Courtney Williams noch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg.
In jüngster Zeit sinkt der Stern des Devon-Spinners, zu groß ist die weltweite Kunstköder-Konkurrenz. Nur noch in den Lachs-Hochburgen Irland und Schottland hat er seinen festen Platz im Regal der Angelläden. Bei uns ist er heutzutage kaum noch zu finden. Dabei wäre er vielleicht der perfekte Geheimköder auf Rapfen oder kapitale Bachforellen.