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Irre Hechte

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Die irischen Räuber sind nicht ganz normal. Uwe Pinnau fischte auf dem Upper Lough Erne in Nordirland und berichtet von Posenbeißern sowie von einer Frühstücksorgie am Abend.

Hechtansitz an der Brücke, direkt vor der Tür des Bridge House.

Es ist Sommer in Irland, als wir in Dublin landen. Nach der gnadenlosen
Hitzewelle in Deutschland freuen wir uns auf eine klimatische Abwechslung, die wir auch bekommen. Alles ist etwas abgemildert auf der grünen Insel, die Winter, aber vor allem auch die warme Jahreszeit.

Die Wartezeit an der Gepäckausgabe fällt kurz aus. Jetzt noch schnell den Leihwagen abholen, und schon kann es losgehen. Es dauert allerdings immer etwas, bis die Hirnhälften auf den Linksverkehr umgepolt sind.

Die zweistündige Fahrt Richtung Norden vergeht wie im Flug. Der Grenzübertritt nach Nordirland macht sich eigentlich nur durch die Hinweise auf dem Navi bemerkbar, und dann sind wir auch schon da. Vor uns liegt wie gemalt der schöne River Erne, und direkt an der Brücke befindet sich unsere Bleibe für die nächsten sieben Tage, sinnigerweise das „Bridge House“ genannt. Die Brücke führt hinüber zum „Belle Isle Estate“, einem Landgut samt Schloss in Insellage. Nur ein paar Schritte unterhalb unseres Hauses liegen die geräumigen und stabilen Boote.

Ich kann es kaum erwarten und montiere eiligst die kräftige Reisespinnrute mit der Leichtbau-Stationärrolle. Die Angeltasche mit einigen Köderboxen, Zangen, einem Hand-GPS und dem Stahlvorfachetui befindet sich fertig gepackt in der großen Reisetasche. So bin ich binnen weniger Minuten bereit und starte den Viertakt-Außenborder. Es sieht schon in unmittelbarer Umgebung sehr gut aus, aber ich fahre zunächst mal ein paar Meter, um mir einen ersten Eindruck vom Revier zu verschaffen.

Colin Chartres kennt jeden Schilfhalm am Upper Lough Erne.
Wer aus dem Bridge House kommt, könnte direkt ins Wasser fallen.

Auf der Suche nach aktiven Fischen, werfe ich mit meinem Max Rap in grellem Chartreuse einige interessante Uferbereiche ab. Und schon bald gesellen sich weitere Bissspuren auf den Rücken des bewährten Kunstköders. Ein mittlerer Hecht macht den Anfang. So kann es gerne weitergehen. Ein weiterer, kleinerer Hecht folgt, aber die Reisestrapazen machen sich dann doch bemerkbar. Ich fahre zurück zum „Brücken-Haus“.

Nach einer sehr erholsamen Nacht wartet ein kleines Frühstück auf uns, das große „Full Irish breakfast“ ist uns im Moment noch etwas zu mächtig, dazu aber später mehr. Draußen kündigt ein leises Tuckern Colin Chartres an. Colin kommt aus der Gegend, kennt jeden Schilfhalm und ist unser Begleiter für den ersten Tag.

Wir besteigen sein Boot, und nach wenigen Flussbiegungen erreichen wir den großen See, den Upper Lough Erne. Zahlreiche dicht bewachsene Inseln schaffen ein Labyrinth, das ein wachsames Auge erfordert.

Teepause auf einer Insel

Wir fahren einen der tieferen Bereiche an, an dem wir uns, durch das sommerliche Wetter bedingt, gute Chancen ausrechnen. Ich habe eine Naturköderrute mitgenommen. Eine Freilaufrolle, eine Schlepp-Pose und eine Tüte mit gefrorenen Köderfischen komplettieren das Geschirr. Die „Pollan“ genannten, maränenartigen Fische sollen uns zu einem schönen Hecht verhelfen. Es dauert gar nicht lange, und die driftende Pose taucht seitlich ab. Ich schlage umgehend an und kann einen  typisch irischen Hechtdrill genießen. Der Räuber kämpft nicht nur ausgesprochen ungestüm, sondern setzt auch mehrfach zu imposanten Sprüngen an, wie sie einem daheim nur selten unterkommen. Schnell in den Kescher mit dem schönen Tier, ein kurzer Fototermin und die Fluten haben es wieder. Die Pflicht ist erfüllt, wir machen eine kurze Teepause auf einer der Inseln.

Hechte mögen tote Fische

Als wir danach zu einer neuen Drift ansetzen und ich einen weiteren „Pollan“ in den Fluten versenke, geht die Pose augenblicklich auf Tauchstation. Im ersten Moment vermute ich einen Defekt oder Bodenkontakt und schaue Colin ebenso fragend an, wie er mich. Der Blick auf das Echolot zeigt allerdings, dass wir uns über sieben Meter Wassertiefe befinden. Krass, das ist ein Biss, und nach einem kurzen Drill am starken Gerät liegt ein weiterer Hecht im Kescher.

Colin steuert eine neue Stelle an, die ich mit Kunstködern abfischen möchte. Zunächst tut sich nichts, aber als ich einen Blick in die Köderbox werfe, attackiert ein Hecht meinen unter der Rutenspitze gerade eben so im Wasser baumelnden Shaker. Etwas perplex senke ich den Köder ab und beschreibe ein „L“ im Wasser. Der Hecht stößt ihn abermals an und verschwindet wieder.

Colin schlägt vor, uns noch etwas vom Flusslauf zu zeigen, der sich ebenfalls zum Hechtangeln anbietet. Vorbei an einem Jachthafen und unter Brücken hindurch, passieren wir sanfte, sattgrüne Hügel. Dann beangeln wir einige tiefere Kurven und können zwei weitere Hechte von unseren Kunstködern überzeugen.

Der „Posenbeißer“ wollte einen Köfi an der Oberfläche.
An das „Full Irish breakfast“ trauten sich Uwe und seine Angelfreunde erst am letzten Abend.

Der erste richtige Angeltag geht zu Ende, wir verabschieden Colin und machen es uns im Bridgehouse bequem. Vor dem brennenden Torf im Kamin widme ich mich der detaillierten Seekarte und dem ausliegenden Gästebuch. Dabei stoße ich auf den Eintrag dreier englischer Angler namens Gord Burton, Mick Brown und Matt Hayes – Angelpromis, die ich bislang nur von zahlreichen Videos kannte. Wow, die hatten also auch schon in den Rattanmöbeln am Kamin und anderen strategisch wichtigen Orten des Hauses gesessen.

Nach einem Einkauf im nahegelegenen Enniskillen am nächsten Morgen fahren wir wieder ohne das irische Frühstück mit unserem Boot raus. Eine Schilfbank, nur eine Minute vom Haus entfernt, sieht sehr einladend aus. Ich bringe eine Grundmontage mit Pose und Köderfisch aus, montiere dann die Reisefeederrute, und schon bald sorgen ein paar schöne Rotaugen und vorwitzige Kleinbarsche am Futterplatz für Action.

Hecht-Attacke auf die Pose

Als ich wieder einmal in Richtung Hechtpose schaue, traue ich meinen Augen nicht: Ein schöner Hecht stößt auf die Pose zu, schnappt danach und rempelt sie dann im Vorbeischwimmen noch zwei Mal an. Ich hole die Montage ein und stelle sie ganz flach. Keine zehn Sekunden später verschwindet der Schwimmer im klaren Wasser, und ich setze den Anhieb. „Den wollte er haben“, denke ich mir und bin froh, den Hecht richtig ausgerechnet zu haben. Der nächste Tag bringt uns reichlich Regen. Die Wassermassen nehmen kein Ende, und obwohl ich es gewohnt bin, in Irland alle Jahreszeiten an einem Tag zu erleben, bin ich doch etwas überrascht. Es ist einfach zuviel Wasser, um guten Gewissens mit dem Boot auf den See zu fahren. Aber wozu hat man ein Haus in so guter Lage. Ich nehme die Reisebanksticks aus der Tasche, montiere meine Bissanzeiger und hole das tags zuvor erworbene „Pike-Pack“ aus dem Eisfach.

Der Abendsprung am Fluss

Schnell sind die Ruten aufgebaut und ein Rotauge und ein Hering ausgebracht. Da piept auch schon der Alarm an der linken Rute. Der kleine Gourmethecht hat sich den Hering einverleibt. Am Abend klart es auf, ich nehme noch den Abendsprung im Fluss mit und fange jede Menge schöner Rotaugen und Barsche mit einer leichten  Posenmontage.

Das am nächsten Morgen abermals ausgeschlagene irische Frühstück entwickelt sich zum „running gag“, zumal die Zutaten allesamt im Kühlschrank liegen. Der Tag auf dem Fluss bringt uns aber nur eine Reihe kleinerer Fische. Obwohl der Kapitale auf sich warten lässt, vergehen die folgenden Tage wie im Fluge, und schon bahnt sich die letzte Ausfahrt an. Schnell fange ich mir noch ein paar frische Köderfische und habe zusammen mit den Resten des Pike-Packs ein paar schlagkräftige Argumente an Bord – von den vielen Kunstködern ganz zu schweigen. Die zunächst angedachte Barschangelei lassen wir bleiben, um uns letztlich nicht zu verzetteln. Der Fokus des letzten Tages gilt allein den Hechten. Mehrere Runden auf dem See mit  geschleppten Wobblern und ein driftend gefischter Bulldawg bringen nicht den gewünschten Erfolg. Also müssen es die toten Köderfische wieder richten.

Die erste Drift steht, aber leider auch das Boot, denn der Wind ist komplett eingeschlafen. Ich beschließe, mit den Rudern etwas nachzuhelfen – und siehe da, als wir uns dem Rand einer Unterwassererhebung nähern, knarrt die Baitrunnerrolle los und macht Hoffnung auf mehr. Leider ist die ungestüme Flucht schon zu Ende, bevor ich den Anhieb setzen kann.

Die Zeit verrinnt zusehends. Ich setze alles auf die Karte „großer Köder, großer Hecht“. Obwohl das nicht meine Grundmaxime beim Hechtangeln ist, montiere ich die größten, noch vorhandenen Köfis. Und als die Pose verschwindet, keimt noch einmal die Hoffnung auf den krönenden Abschluss auf. Nach kurzem Drill folgt allerdings die  Erkenntnis, dass die Größe eines gefangenen Hechtes nicht zwingend proportional zur Größe des Köders ist. Ich entlasse den Räuber wieder in die Fluten und angele mich durch den Fluss zum Haus zurück. Der zügig getwitchte Flat Rap bringt noch ein paar kleinere Hechte. Aber auch die schönsten Dinge gehen irgendwann zu Ende. Es ist schon spät und Zeit, sich von den Wassern des Upper Erne zu verabschieden. Als abendliche Hauptmahlzeit genießen wir jetzt endlich das üppige „Full Irish breakfast“. Die leckere Kombination aus Speck, Bohnen, Eiern, eigenwilligen Würstchen und dem Blood Pudding macht sich auch gut als Tagesabschluss, wenn nicht sogar besser. Und dann heißt es: Good bye – aber wir kommen wieder.

Revier-Infos

RAUBFISCHBESTAND: Hecht, Barsch, Brown Trout
FUTTERFISCHBESTAND: Rotauge, Rotfeder, Barsch, Brassen, Schleie
WASSERFLÄCHE: ca. 1.530 ha
TIEFE: viele Flachwasserbereiche, aber auch Löcher mit weit über 10 m
UNTERGRUND: sauberer bis leicht schlammiger Grund (teilweise mit Pflanzenbewuchs), aber auch flache, steinige Bereiche (Hinweisschilder
sind vorhanden)

Uwe Pinnau in einem typisch irischen Angelboot

WASSER: klar mit typisch irischem, leichtem Braunstich
STRUKTUREN: relativ ebener Grund mit den erwähnten Löchern
EXTRA-TIPP: Eine Fliegenrute der Klasse 9 und entsprechendes Streamermaterial garantieren besonderen Spaß beim Hechtangeln. Colin Chartres ist ein Experte im Streamerfischen auf Hecht und ein zertifizierter Guide. Seine kompetente und nette Art sollte man sich angesichts der weitläufigen Wasserflächen mal für einen Tag geben (s.a. Guiding).
BESTIMMUNGEN: Das Fischen ist mit maximal 2 Ruten zum Naturköder- oder Spinnfischen gestattet. Pro Angeltag darf 1 Hecht entnommen werden, Exemplare mit Gewichten von 4 kg und mehr, müssen zurückgesetzt werden. Der Besitz von mehr als einem ganzen Hecht ist verboten. Das Limit bei Weißfischen liegt bei 4 Stück, die höchstens bis 25 cm lang sein dürfen. Selbstgefangene Köderfische dürfen ebenfalls maximal 25 cm lang sein und man darf auch höchstens 4 Stück dabei haben. Hechte und Friedfische unterliegen keiner Schonzeit. Für das Fischen auf Lachs und Forelle ist eine spezielle Lizenz nötig.
ANGELN VOM UFER: Am River Erne durchaus möglich, Häfen und Anleger bieten weitere gute Stellen.
BESONDERHEITEN: Angeln sowohl im Fluss als auch im See möglich, damit auch bei Hochwasser gute Chancen.
GASTKARTEN: Es wird eine Lizenz zum sogenannten Coarsefishing benötigt: 3 Tage £ 9,50 (ca. 12 EUR), 14 Tage £ 20 (ca. 25 EUR)
AUSGABESTELLEN: Karten sind an der Rezeption vom Belles Isle Estate, im Angelladen (s. Fachgeschäft) oder bei Colin Chartres erhältlich.
GUIDING: z.B. Colin Chartres, Erne Angling Services (www.erneangling.com), County Fermanagh, Northern Ireland, Mobil: 0788/4472121, E-Mail: colin@erneangling.com
BOOTE: gute, stabile Lakeboats mit zuverlässigen, gepflegten und vor allem sparsamen 4-Takt-Außenbordern. Echolot, Anker und Schwimmwesten sind vorhanden, der Liegeplatz ist nur wenige Schritte vom Bridge House entfernt.
UNTERKUNFT: z.B. Bridge House oder Cathcart‘s Lodge Cottage sowie weitere schöne, gepflegte Unterkünfte / Ferienappartements (www.belle-isle.com); Infos auch über Irland Information (Tourism Ireland, www.ireland.com), Gutleutstraße 32, 60329 Frankfurt am Main, Tel. 069/66800950 (Mo-Fr, 11-17 Uhr), Fax 069/9231 8588, E-Mail: info.de@tourismireland.com oder auch über Fermanagh Visitor
Information Centre (www.fermanaghlakelands.com), Wellington Road. Enniskillen, BT747EF, Northern Ireland, Telefon 0044 (0) 2866323110, Fax: 0044 (0) 2866325511, EMail: info@fermanaghlakelands.com; für Selbstversorger gute Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe und 24 Stunden-Supermärkte in Enniskillen.
FACHGESCHÄFT: Home, Field and Stream (www.hfs-online.com), Church Street 18-20, Enniskillen
ANREISE: Flug z.B. mit Aer Lingus von Düsseldorf oder Frankfurt nach Dublin oder Belfast und dann weiter mit dem Leihwagen (Fahrzeit von Dublin ca. 2 Std., von Belfast ca. 1,5 Std.)

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