Der letzte Teil der Serie: Diesmal hat sich Jan Eggers außergewöhnlich gefärbte Hechte von jenseits der Alpen vorgenommen.
Manche italienischen Hechte besitzen keine Punkte sondern ein Streifenmuster. Eine eigene Art? Bild: Jan Eggers |
An einem Januartag habe ich mit meiner Artikelserie über kranke und gesunde, schöne und hässliche, kleine und große, aber vor allem über ungewöhnliche Hechte begonnen. Die Polder waren damals mit dickem Eis bedeckt und das Schreiben über mein Hobby war eine angenehme Alternative zum Angeln. Ich hatte in diesem Augenblick, beim Schreiben über alle Variationen von Esox lucius, keinen blassen Schimmer davon, dass es einmal 14 Teile werden sollen. Und noch weniger kam mir in den Sinn, dass der letzte Teil von der wissenschaftlichen Entdeckung einer neuen Hechtart handeln wird.
Dieser Hecht wurde in einem kleinen See bei Padua gefangen. In diesem Gewässer fing Jan Eggers auch normal gezeichnete Exemplare von Esox lucius. Bild: Jan Eggers |
Ein Freund schickt mir schwere Kost
Der schönste Nebeneffekt dieser Artikelserie sind für mich die Reaktionen der Leser. Ich habe viele Mails mit angehängten Fotos und Informationen bekommen. Meinen Dank dafür!
Ich habe den Eindruck erhalten, dass meine Artikel positiv aufgenommen wurden und ich bin immer dankbar für Tipps und neue Themen.
Noch ein „southern pike“ aus Italien. Bild: Jan Eggers |
Kürzlich schickte mir mein Freund Frank van Vliet eine Mail mit einem riesigen Link, der sicher 70 Zeichen lang war. Dahinter verbargen sich 11 Seiten mit wissenschaftlichen Informationen, und das alles in sehr kleinen Buchstaben und auch noch auf Englisch. Sehr schwere Kost, aber Frank vermutete, dass ich mich dafür interessieren könnte. Und er hatte Recht! Der wissenschaftliche Aufsatz hatte das Thema Molecular and Phenotypic Evidence of a New Species of Genus Esox: The southern Pike, Esox flaviae. Kurz gesagt: Man hat ein neues Mitglied der Hechtfamilie gefunden, den man Esox flaviae getauft hat.
Jan Eggers Angelfreund Marco aus Iseo er war dort Bürgermeister mit einem kleinen Esox flaviae. Bild: Jan Eggers |
Sehr interessante Neuigkeiten für mich. Man hatte mit einer DNA-Untersuchung bewiesen, dass bestimmte italienische Hechte, die eine abweichende Zeichnung besitzen, die mich an Tiger-Muskies erinnert, zu einer anderen Art gehören. Nicht alle Hechte in Nord-Italien sind anders gezeichnet als unser einheimischer Esox lucius. Seit ungefähr 20 Jahren schreibe ich Artikel für italienische Angelzeitschriften, und ich habe viele gute Hechtfreunde in Bergamo, Padua, Brescia und Iseo. Sie besuchen mich regelmäßig zum Hechtangeln in Holland, sind mit mir schon nach Kanada geflogen und haben mich auch schon zum Fischen nach Italien eingeladen. Ich habe sogar schon einmal einen Vortrag vor einem großen Angelclub in Padua gehalten.
Ungewöhnlich gezeichneter Hechte aus Friesland, der an Esox flaviae denken lässt. Zukünftig muss man bei solchen Fischen die Schuppen entlang der Seitenlinie zählen. Bild: Jan Eggers |
Als ich an verschiedenen großen Seen des Angelclubs von Padua auf Hechte geangelt habe, sah ich mit eigenen Augen Fische, die wie holländische Hechte aussahen, aber auch Hechte, die die typische italienische Zeichnung aufwiesen. Mein Gastgeber erzählte mir, dass früher einmal alle Hechte dieser Region so aussahen.
Leider hat man inzwischen den Hecht, den wir in Mitteleuropa so gut kennen, dort gezüchtet und überall ausgesetzt. Warum gerade unser Hecht dort gezüchtet wird, habe ich nicht gefragt.
Auch dieser hübsch gezeichnete Grashecht stammt aus Friesland. Bild: Jan Eggers |
Auch meine italienischen Hechtfreunde Bruno Cassotti und Gabriele Gnutti besaßen ein eigenes Angelgewässer mit einem Bruthaus, um junge Hechte vom Typ Esox lucius zu züchten. Gerade wegen des Besatzes mit eigentlich nicht einheimischer Hechtbrut haben Biologen aus Neuseeland zusammen mit Kollegen von der Universität Perugia die Untersuchung gestartet. Die Fachleute waren nämlich besorgt, dass der ursprünglich in Italien einheimische Hechtstamm durch Kreuzungen verschwinden wird, sozusagen eine Form der Faunenverfälschung. Für diese Untersuchung hat man Hechte aus ganz Europa, Kanada und sogar aus China analysiert, schon äußerlich sieht man da einige Unterschiede.
Jouke Jansma mit einem „Marmorhecht“, der Fisch stammt ebenfalls aus Nordholland. Bild: Jan Eggers |
Die meisten europäischen Hechte besitzen mehr oder weniger runde Flecken, die ursprünglichen Hechte Italiens haben eher ein Streifenmuster, das vertikal, diagonal und horizontal verlaufen kann. Die DNA-Analyse ergab erhebliche Unterschiede zwischen unseren Hechten und seinen italienischen Neffen und Nichten.
Ein anderer deutlicher Unterschied ist die Anzahl der Schuppen entlang der Seitenlinie. Bei unserem Esox finden wir 125 bis 148 Schuppen an der Seitenlinie. Bei Esox flaviae liegt diese Zahl deutlich geringer: bei 110 bis 115 Schuppen.
Und noch ein ungewöhnlich gezeichneter Esox aus den Niederlanden. Bild: Jan Eggers |
Woher stammt der Name Esox flaviae?
Die Amerikaner bezeichnen Esox lucius als northern pike, nördlichen Hecht. Die Verfasser des Aufsatzes bezeichnen Esox flaviae vor allem als southern pike, südlichen Hecht. Die Artbezeichnung flaviae ist der 2. Fall (Genitiv) des lateinischen Wortes Flavia. Flavia war der Name der ersten Frau der Flavier-Dynastie. Der römische Kaiser Titus Flavius entstammte diesem Geschlecht, auch seine Mutter und Schwester hießen Flavia. Der Naturforscher Plinius der Ältere, geboren im Jahre 23 und gestorben 79, verfasste eine naturkundliche Enzyklopädie mit dem Titel Naturalis Historia, die er Kaiser Titus Flavius widmete.
Esox flaviae aus Italien mit dem typischen Streifenmuster. Bild: Jan Eggers |
Die Artbezeichnung flaviae soll also zeigen, dass dieser Hecht aus dem römischen Kernland stammt, sein allgemeiner Rufname wird wohl southern pike oder südlicher Hecht werden. Inzwischen wird diese Hechtart auch als Esox cisalpinus (lateinisch cisalpinus = diesseits der Alpen, von Rom aus betrachtet) bezeichnet.
Es gibt in Italien noch einige Gewässer wo diese Süd-Hechte ausschließlich vorkommen, beim See von Trasimeno ist das der Fall. Der See ist inzwischen zum Nationalpark ernannt worden, zwei Bereiche wurden zum Natura 2000-Gebiet erklärt.
Die neu beschriebene italienische Hechtart besitzt ein typisches Streifenmuster und deutlich weniger Schuppen entlang der Seitenline als Esox lucius. Bild: Jan Eggers |
Können diese Süd-Hechte auch zu uns gelangen?
Durch den Besatz mit Esox lucius in vielen italienischen Gewässern gibt es inzwischen viele Hybriden, die sich ebenfalls weiter fortpflanzen können. Man kann die berechtigte Frage stellen, ob dieser südliche Hecht auch in unsere Gefilde gelangen kann? Es sind schon Exemplare von Esox flaviae in der Donau gesichtet worden, und wir wissen auch, dass durch den Rhein-Main-Donau-Kanal schon Fischarten aus der Donau Richtung Norden gewandert sind. Ich stelle mir diese Fragen, weil ich in den letzten Jahren einige besonders schön gezeichnete Hechte, die mich an E. flaviae erinnern, für mein Archiv geschickt bekommen habe. Der bereits veröffentlichte Marmor-Hecht vom ehemaligen SNB-Vorsitzenden Jouke Jansma ist dafür ein prima Beispiel. Ich zeige hier noch ein paar Fotos mit außergewöhnlich gezeichneten Hechten, die ich zusammen mit Exemplaren aus Italien für diesen Artikel verwendet habe.
Präparat eines außergewöhnlich hübsch gezeichneten Hechtes aus Amerika. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Kreuzung verschiedener Hechtarten. Bild: Jan Eggers |
Wenn mein Gedächtnis mich nicht im Stich lässt, ist vor einigen Jahren in der niederländischen Angelzeitschrift Rovers ein Artikel über schön gezeichnete Großhechte aus Italien erschienen. Ich habe gerade den Rovers-Stapel durchgesehen, kann aber die betreffende Ausgabe nicht finden – was für ein Jammer. Ich habe die starke Vermutung, dass man in dem Artikel einige dicke Weibchen von Esox flaviae bewundern kann. Dass diese Fische sehr schön aussehen, darüber sind sich alle Hechtangler einig.
Auch habe ich noch ein Foto eines marmorierten Hechtes aus Amerika gefunden, der in der Gefriertruhe gelagert und dann präpariert wurde. In Amerika weiß man immer noch nicht, um was für einen Hecht es sich gehandelt hat. Man vermutet eine Kreuzung. Auf jeden Fall handelt es sich um einen ungewöhnlichen Anblick. Mit diesem Satz bin ich ans Ende dieser Artikelserie gelangt. Vielen Dank nochmal an alle, die mir Material geschickt haben. Ich suche gerade nach einem Thema für eine neue Artikelserie, aber da müssen wir noch etwas Geduld haben.
Jan Eggers