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Aale für den Nord-Ostsee-Kanal

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Etwa 200.000 Jungale wurden kürzlich in Rade bei Rendsburg (Schleswig-Holstein) in den Nord-Ostsee-Kanal ausgesetzt.

Jan Lock

Aalbesatz
Ernst Labbow (links), Präsident des Landesportfischerverbandes Schleswig-Holstein, und Dr. Roland Lemcke von der Fischereiverwaltung des Landes setzen Aale in den Nord-Ostsee-Kanal ein.
Der Landessportfischerverband Schleswig-Holstein (LSFV) beteiligt sich an einem europäischen Aal-Programm, das der Förderung des Laicherbestandes des Europäischen Aals im Einzugsgebiet der Elbe dient. Knapp eine halbe Million Euro werden innerhalb von drei Jahren investiert, um dem dramatischen Bestandsrückgang des europäischen Aals entgegenzutreten. „Schleswig-Holsteins Angler wollen den Nord-Ostsee-Kanal zu Deutschlands Aal-Gewässer Nummer 1 machen!“ schwärmte LSFV-Präsident Ernst Labbow vor Journalisten.
 
Neben Schleswig-Holstein nehmen auch die Bundesländer Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt an dem Pilotprojekt teil. Finanziert wird es zu 50 Prozent von der EU und – zumindest in Schleswig-Holstein – zu 20 Prozent aus der Fischereiabgabe. 30 Prozent der Kosten müssen von den Begünstigten getragen werden.
 
Das Projekt unterteilt sich in zwei Bereiche: dem eigentlichen Besatz und dem wissenschaftlichen Begleitprogramm (Monitoring), das aufgrund der günstigen Voraussetzungen in Schleswig-Holstein besonders umfangreich ist. Vorgesehen ist eine jährliche Mindestbesatzmenge von 75 vorgestreckten Aalen mit einem Körpergewicht von 3 bis 10 Gramm pro Hektar. Für den Nord-Ostsee-Kanal, der mit einem Teil seiner Nebengewässer eine Fläche von etwa 2.200 Hektar besitzt, bedeutet dies einen jährlichen Besatz mit mindestens 165.00 Aalen. Die Kringler werden an elf verschiedenen Stellen zwischen Kudensee und Landwehr in den Kanal entlassen.
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Aalbesatz
Fischwirtschaftsmeister Gunnar Reese (Sarlshusen) lieferte die Aale, Stichproben zeugten von einer guten Qualität.

Der Aal – das unbekannte Wesen

„Routinemäßig wird das Besatzmaterial natürlich auf die Artzugehörigkeit und den Gesundheitszustand untersucht, um sicherzustellen, dass die Besatzmaßnahmen auch zur Erhöhung des Laicherbestandes beitragen“, erläuterte der LSFV-Biologe Rüdiger Neukamm, Hegemanager des Gewässersystems Nord-Ostsee-Kanal. Ziel seines Monitorings ist die Abschätzung der natürlichen Bestandsgröße des Aals in den Gewässern und die Beurteilung der Effizienz der Besatzmaßnahmen. Außerdem könnten die Untersuchungen gleichzeitig dazu beitragen, weitere Kenntnisse über die komplexen Verhaltensweisen des Aals zu erlangen.
 
Die wissenschaftlichen Begleituntersuchungen erstrecken sich über alle drei Lebensstadien des Aales, die im Binnenland vorkommen. Glasaal/Jungaal (das sind die jungen Tiere, die aus den Küstengewässern in die Binnengewässer aufsteigen), Gelbaal (die Tiere, die sich in den Binnengewässern aufhalten und dort abwachsen) und Blankaal (silbrig gefärbte Aale, die aus den Binnengewässern abwandern, um zum Laichplatz in die Sargasso See zu gelangen).
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Aalbesatz
Prof. Dr. Reinhold Hanel erforscht im Leipniz-Institut in Kiel den Aal.

In Sturmnächten unterwegs

Die Glas- oder Jungaale werden mit so genannten „Aalrinnen“ gefangen. Dabei handelt es sich um speziell angefertigte Fanggeräte, die an Zwangspunkten eingesetzt werden, an denen die Aale aufgrund von Querbauwerken nicht weiterwandern können. Das Gelbaal-Monitoring findet überwiegend in den ehemaligen Eiderseen (Audorfer See, Borgstedter See und Schirnauer See) statt. Als Fanggeräte werden drei Großreusen und ein spezielles Schleppnetz für Aale eingesetzt. Zusätzlich werden ab 2008 in vier Zuflüssen zum Nord-Ostsee-Kanal dreimal pro Jahr Elektrobefischungen vorgenommen, um eventuelle Bestandsveränderungen des Aales zu erfassen.
 
Am aufwändigsten wird wohl der Fang der im Herbst abwandernden Blankaale. „Die Tiere wandern bevorzugt in stürmischen Nächten aus den Binnengewässern ab und schwimmen dabei im Freiwasser, gewöhnlich kurz unterhalb der Wasseroberfläche“, weiß der Biologe Rüdiger Neukamm. Schon aufgrund der Schifffahrt sei ein Fang in den Kanälen nicht möglich. Um zu ermitteln, wann genau die Blankaale aus dem Nord-Ostsee-Kanal abwandern, wird in der Schirnaumündung eine große Reuse installiert, mit der die aus dem Wittensee abwandernden Blankaale gefangen werden. Sobald dort die ersten Blankaale erscheinen, wird mit dem Monitoring an den Schleusen in Brunsbüttel und Holtenau begonnen.
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Aalbesatz
Knapp 200.000 Aale bester Qualität wurden in den Nord-Ostsee-Kanal eingesetzt.

Leuchtende Knochen

Neukamm: „In Brunsbüttel wird während der Entwässerungsphasen eine Kammer der alten Schleuse vollständig mit einem Hamen abgesperrt.“ Das Fanggerät habe entsprechend eine Abmessung von 25 mal 10 Meter. Bis zu 150.000 Liter Wasser werden pro Sekunde durch den Hamen gespült.
 
Um herauszufinden, welche Effizienz die Besatzmaßnahmen haben, ist es sehr vorteilhaft, wenn man die besetzten Aale von denen, die auf natürliche Weise in das Gewässer gelangt sind, unterscheiden kann. Aus diesem Grund ist langfristig vorgesehen, das gesamte Besatzmaterial zu markieren. Die Markierung soll mit dem Fluoreszenzfarbstoff Alizarinrot erfolgen. Dafür müssen die Aale über einen Zeitraum von zwölf Stunden in einer Farbstofflösung gebadet werden. Das völlig ungiftige Alizarinrot bindet sich an das Kalzium der Aal-Knochen. Sichtbar wird die Markierung nur auf dem Dünnschliff eines Gehörsteinchens (Otolithen), sofern man ihn durch ein geeignetes Fluoreszenzmikroskop betrachtet. Äußerlich ist die Markierung nicht feststellbar.
 
Weiterhin wird es mit Hilfe der Markierung  möglich sein, das Wanderverhalten bzw. die Orientierung der Aale im Nord-Ostsee-Kanal zu untersuchen. Bei der Abwanderung als Blankaal können die besetzten Aale nicht einfach den Weg zurück schwimmen, den sie gekommen sind. Sie müssen sich neu orientieren, zumal sie ja zwei Möglichkeiten haben, vom Nord-Ostsee-Kanal ins Meer zu gelangen. Wandern die besetzten Aale überwiegend über die Ostsee ab, orientieren sie sich wahrscheinlich nach dem Salzgehalt, der von West nach Ost zunimmt. Erfolgt die Abwanderung auf dem direkteren Weg über die Elbe, muss die Orientierung mit einem „inneren Kompass“ erfolgen.
 
Die dramatischen Rückgänge in den Aalbeständen sind nach den Worten von Professor Dr. Reinhold Hanel vom Leipniz-Institut in Kiel nicht etwa ein norddeutsches Problem. Nach seinen Rechnungen geht der Aalbestand bereits seit den 70er Jahren zurück. Das sei übrigens auch beim amerikanischen und beim asiatischen Aal beobachtet worden. Die besondere Biologie des Aals mache seine wissenschaftliche Untersuchung sehr kompliziert. Die gefärbten Aale können in etwa fünf Jahren Auskunft über das Verhalten der Tiere geben, hofft Hanel.
 
Michael Kuhr, LSFV-Schleswig-Holstein
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