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Mein erster Dorsch

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Erfolg und Misserfolg liegen gerade beim Meeresangeln dicht beieinander: Unser Leser Ernst von Blögge mailte der Redaktion folgende Fanggeschichte zu.

Jan Lock

Ernst von Blögge
„Schon Monate fieberte ich dem Angeltrip auf der Ostsee entgegen. Bei fünf Leuten ein Wochenende zu finden, an dem alle Zeit haben – gar nicht so einfach. Doch im Oktober klappte es endlich.
 
Schon Ende Mai hatten wir unseren ersten Ostsee-Versuch auf Hornhechte gestartet. Ziemlich erfolgreich, wenn man den Gesamtfang der Truppe betrachtet. Jeder bis auf meine Wenigkeit hatte um die 10 Hornhechte an Bord ziehen können. Ich fing meine allerersten beiden Hornis und war damit schon überglücklich. Hatte ich doch bei meinen ersten zwei Hochseefahrten vor sicherlich 10 Jahren – einmal auf der Nordsee von Holland aus und einmal von Heiligenhafen auf der Ostsee – nicht in guter Erinnerung und die Hochseeangelausrüstung erst mal an den Nagel gehängt. Bei beiden Trips hatte ich als westfälischer Festlandseuropäer Windstärke 8 zu überleben. Also waren die beiden Hornhechte im Mai ein gelungenes Comeback nach all den Jahren – zugegeben, dass waren sogar meine beiden ersten Meeresfische, die ich je am Haken hatte. Deshalb musste ich den Spott meiner vier Kumpels, die regelmäßig auf der Ostsee unterwegs sind, ertragen. Fast so schlimm wie die Seekrankheit! Es kratzt doch ein wenig an der Anglerehre. Bald hatte ich meinen Spitznamen ‚Beilagenfischer‘ weg, nachdem ich doch häufiger Kontakt mit dem Meeresboden hatte und allerlei Grünzeug zu Tage förderte.
 

Heringe zum Warmwerden

Nun ging es also los – auf Dorsch, Mitte Oktober 2006. Diesmal hatte ich mich gut vorbereitet. Pilker in den Kampfklassen von 60 bis 150 Gramm, fertiggeknüpfte Vorfächer mit Beifängern, in erster Linie Twister. Zusätzlich hatte ich eine neue 35er Monofile aufgezogen – am Material sollte es nicht scheitern. Und ich hatte die Literatur gewälzt: ‚Das Angeln im Meer vor westdeutschen Küsten – Fische, Angelmethoden und sportliche Ausrüstung‘, Paul Parey 1969. Das Buch hatte ich als kleiner Stöpsel von unserer Nachbarin geschenkt bekommen und bis dato stand es eher unbeachtet in meinem Regal. Das längste Kapitel war dem Dorsch gewidmet. Nach der Lektüre müsste ich eigentlich gewappnet sein. Jetzt wusste ich alles über die Biologie des Dorsches, sein Beißverhalten und wie der Köder zu führen ist – auf der Lee- und auf der Luvseite des Bootes.
 
Mit diesem Wissensvorsprung prahlte ich auf der Fahrt nach Boinsdorf um 5.30 Uhr am Sonntagmorgen und krönte mich schon als Angelkönig. Gähnend erwiderte Stefan: ‚Ja, ja, Du machst das schon.‘ Für Spott war es einfach noch zu früh. Um 7 Uhr erreichten wir den Hafen von Boinsdorf in Meckpom. Dort lag die ‚Duck‘ von Uwe, dem Vater von Marcus, in ihrem Heimathafen. Eine 8 Meter lange Motoryacht aus dem Jahr 1985. Schnell war unsere Ausrüstung an Bord verstaut und wir stachen in See. Das Meer war ruhig und es zeichnete sich ab, dass wir mit dem Wetter Glück haben sollten. So verließen wir gleich das windgeschützte Haff, um weiter hinaus zu fahren. Offensichtlich waren zu diesem Zeitpunkt schon einige andere kleinere Angelboote auf der Suche nach den besten Fischgründen und am Horizont gen Westen zeichneten sich die Silhouetten großer Angelkutter aus Wismar ab. Uwe spielte mit seinem neuen Echolot herum und nach einer halben Stunde Fahrt erreichten wir die erste vielversprechende Stelle, an der schon weitere kleine Boote ihr Glück versuchten. Nach dem Blick aufs Echolot meinte Uwe: ‚Hier können wir’s versuchen – könnten Heringe im Freiwasserbereich sein.‘ Also schnell einen Heringspaternoster an die Rute und runter damit. Gleich beim zweiten Einholen verspürte ich einen stärkeren Widerstand gepaart mit leichtem Zucken in der Rutenspitze und tatsächlich ein schöner Hering, der allerdings seinen Weg an Bord nicht fand und sich genau wie die beiden nächsten Silberlinge beim Herausheben wieder auf nimmer Wiedersehen verabschiedete. Der Vierte hatte dann kein Glück mehr und landete in meinem Eimer. Gute Größe, schöner Fisch. Als Schneider ging ich nun nicht mehr nach Hause. Uwe fing auch noch einen – aber das war’s dann auch. Nicht gerade das, was man sich unter Heringsangelei vorstellt. Also beschlossen wir weiter über die Ostsee zu dümpeln und den Dorsch zu suchen.
Jan Lock

Jan Lock

Ernst von Blögge

Dicke Herbsthornhechte

Einer der Wismarer Angelkutter überholte uns und die Petrijünger, merklich angeheitert, begrüßten uns grölend. Wir fuhren nun sicherlich eine Stunde, um dann endlich wieder von Uwe ein verheißungsvolles ‚Hier ist ´was‘ zu hören. Keine Zeit verlierend schossen wir die Pilker in die Ostsee. Auf der Fahrt hatte ich bereits den vorgeschalteten Heringspaternoster gegen zwei Twister als Beifänger ausgetauscht – der eine rot, der andere schwarz und unten wieder den heringsblauen Pilker eingehakt. Schließlich wollte ich meinen ersten Dorsch an Bord ziehen – meinen Hering hatte ich ja schon.
 
In einem der anderen Boote waren zwei Angler gerade im Doppeldrill mit Dorschen beschäftigt. Also war ich ziemlich zuversichtlich. Hier musste es klappen. Der fünfte Wurf, der sechste Wurf und rums, ich hatte einen Fisch gehakt. Die Schnur musste ich gegen einen ganz schönen Widerstand einholen. Anscheinend mein erster Dorsch. Doch als im klaren Wasser der Ostssee ein heller, torpedoförmiger Körper zunehmend schärfer wurden, staunte ich nicht schlecht. Es war ein Brummer von einem Hornhecht; einer von den schönen großen Herbsthornhechten, von denen mir die anderen schon erzählt hatten.
 
Nachdem das Pinzettenmaul an Bord gebändigt war und ich ihn sicher in meinen Händen hielt, zauberte er mir ein breites Grinsen ins Gesicht. Ein ganz anderes Kaliber, als jene, die wir Ende Mai gefangen hatten. 85 cm und knapp zwei Pfund – nicht schlecht. Tatsächlich hatte er sich mit seinem langen Schnabel am dicken Pilker sauber gehakt. Nicht lange gezögert und wieder raus mit dem System. Zwei Würfe und wieder das gleiche Spiel: Ebenfalls ein dicker Hornhecht von ähnlicher Größe. Stefan fing nun auch einen dieser schönen Herbsthornhechte, doch dann tat sich nichts mehr. Uwe schmiss den Motor wieder an, um uns erneut über den Dorschberg treiben zu lassen. Dann knallte es plötzlich in allen Ruten – nur mein Stecken blieb gerade. Marcus, Uwe, Stefan und Rolf fingen einen Dorsch nach dem anderen. 
 

Gaffer mit Gaff

Ich war jetzt mehr oder weniger kontinuierlich damit beschäftigt, die Dorsche meiner Kollegen zu gaffen. Da ich vor dem Heraushieven gebannt ins Wasser starrte, hatte ich schnell einen neuen doppeldeutigen Spitznamen weg: Nun war ich plötzlich der ‚Gaffer‘. Das ich nun kaum mehr selbst zum Angeln kam, erhöhte nicht gerade die Wahrscheinlichkeit, meinen ersten Dorsch zu fangen.

 
Nach und nach verzogen sich die anderen Boote und auch wir hatten an der Stelle keinen Erfolg mehr, nachdem wir 7 bis 8 Mal über den Dorschberg getrieben waren. Da wir noch knapp zwei Stunden Fahrt nach Kühlungsborn vor uns hatten, wo die MY Duck den weiteren Herbst liegen sollte, beschlossen wir den Angeltörn zu beenden. Die meisten anderen Boote hatten sich bereits verzogen.
 
Auf der Rückfahrt nahmen wir die Dorsche aus und fütterte die Möwen mit den Innereien. Beeindruckend, wie sich einige Möwen ganze Dorschköpfe schnappten und damit schwerfällig und flach über der Wasseroberfläche gen Küste flogen. Ich ging in die Fahrerkabine zu unserem Skipper Uwe, der mir von wesentlich besseren Fangerfolgen kurz nach der Wende erzählte, als die großen Schlepper hier noch nicht ihr Unwesen trieben. Dabei zeigte er mit auf dem Echolot den von den Schleppnetzen nivellierten Meeresboden, der kaum eine Versteckmöglichkeit für die Jäger und Gejagten der Ostsee bot.  Nicht einmal Jungfischschwärme registrierte das zuverlässige Echolot hier.
 

Letzte Chance

Den ganzen Tag die frische Luft und die körperliche Betätigung hatten uns ziemlich geschafft und etwas verträumt starrten wir auf das Wasser. Doch plötzlich wurde das monotone Tuckern des Diesels durch kontinuierliches Piepen des Echolots durchbrochen. Der Blick auf den Screen zeigte eine ganze Reihe Fischsymbole. Die Ostsee war hier 14 m tief. Uwe begeistert: ‚Nicht wie in den alten Zeiten, aber hier versuchen wir’s noch ein letztes Mal – sieht gar nicht schlecht aus! Vielleicht landest Du ja jetzt doch noch Deinen ersten Dorsch‘. Er geht voll in die Eisen – Gas weg, Rückwärtsgang rein, schnell stoppt der Kahn. Nicht lange gefackelt und den Pilker rausgehauen. Nun wollte ich alles richtig machen. 
 
Meine Hornhechtfänge zeigten, dass ich zu flach fischte, also ließ ich nun den Pilker bewusst bis auf den Grund sinken und ruckte ihn dann in Tuchfühlung mit dem Boden zurück zum Boot. Ich besann mich wieder der Tipps, die ich dem Meeresangelbuch in meiner Vorbereitungsphase entnommen hatte.
 
Als Erfolg konnte ich wie bei unserer Angeltour im Mai nur Beilagen fischen. Marcus und Rolf macht sich nun lautstark Gedanken, wie sie mich denn nun bezeichnen sollten, ‚Gaffer‘ oder nun doch wieder ‚Beilagenfischer‘. Marcus meinte nur: ‚Du hast ja nun bald die Zutaten für eine Paella zusammen, fehlt nur noch der Dorsch – Miesmuscheln, Seesterne, Grünzeug…, alles da!‘
 
Als ich den Pilker vom Kraut und zwei Seesternen befreit hatte, warf ich zum zweiten Mal aus. Plötzlich ruckte es unerbittlich heftig in meiner Rute. Ein stumpfer kontinuierlicher Zug in die Tiefe. Die Bremse schnurrt ununterbrochen. Beeindruckend! Ein kompromissloser Kämpfer. Hier war alles gefordert, die Schnur, die Rute und die Rolle – und nicht zuletzt auch ich. Der Pilk-Knüppel krümmte sich wie bei meinen besten Hängern.
 

Endlich – 22 Pfund!

Von Uwe kam aus dem Führerstand: ‚Der bringt uns vom Kurs ab‘ – wovon ich mich später bei einem Blick auf die digitale Seekarte überzeugen konnte. Nach 5 Minuten war das erste Mal ein heller Schimmer in der Tiefe zu erkennen, der doch immer wieder die Kraft fand, Schnur zu nehmen und wieder im Dunkel zu verschwinden. Nach und nach wurden die Umrisse schärfer und ein Panzer von einem Dorsch war nun deutlich in 2 Metern Tiefe zu sehen. Marcus stand schon bereit mit dem Gaff und ich musste den Brocken nur noch richtig positionieren. Zack – und Marcus hatte ihn routiniert am Haken. Mit etwas Mühe hievte er ihn über die Reling. Yeeha!!! Ich konnte es nicht glauben: mein erster Dorsch und dann gleich einer von den ganz dicken Exemplaren. Die Stunde der Wahrheit, das offizielle Vermessen durch Skipper Uwe war angesagt: Mein erster Dorsch wog bei einer Länge von 1,07 Metern 22 Pfund! Der Größte, den die MY Duck je zu Gesicht bekommen hatte!“
 
Ernst von Blögge 
Jan Lock

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