Stumpfes Naturköderangeln war vielleicht gestern. Mit Überlegung und unterschiedlichen Taktiken kann und sollte man auf die aktuellen Bedingungen umgehend reagieren. Uwe Pinnau tut es.
Im Norden essen alle nur Fisch, am Prenzlauer Berg leben nur Schwaben, und Iren sind grundsätzlich rothaarig! Willkommen in der Welt der Klischees – in einer Welt, in der auch Ansitzangler ihren Platz haben. Die meisten Leute gehen davon aus, dass diese Spielart der Hechtangelei allein darin besteht, einen mit Haken gespickten Köderfisch auszuwerfen und darauf zu warten, dass ihn ein gefräßiger Hecht findet. In ganz groben Zügen stimmt das ja auch, aber es ist oft doch so viel mehr. Wer hier wirklich Erfolge feiern möchte, muss sich – ganz abgesehen von der Platzwahl – schon einige Gedanken machen: Welches sind die aktuellen Gegebenheiten am Angelplatz? Wie muss ich darauf reagieren, um den Köder richtig zu präsentieren? Stehen die Hechte eher am Grund oder mehr im Mittelwasser? Wie wirken sich heute Wind und Strömung aus, welche Art von Köderfisch sollte es sein? Dabei spielen Erfahrungswerte natürlich eine große Rolle, und ich möchte das am Beispiel eines Angeltages an einem Großgewässer veranschaulichen.
Der Plan an diesem Tag besteht konkret darin, sich auf einen kleinen, relativ flachen Bereich zu konzentrieren und dort vom festgemachten Boot aus auf die Hechte zu angeln, die womöglich an dieser Stelle vorbeiziehen oder sich ohnehin hier aufhalten. Das Wasser ist dort um die drei Meter tief.
Am Gewässer angekommen, kräuselt ein leichter Wind die Wasseroberfläche, die Sonne wechselt sich immer wieder mit Wolken ab, es ist nicht allzu warm und das Wetter in dieser Form schon seit einigen Tagen stabil. Alles in allem sehr gute Voraussetzungen, zumindest was die bereits erwähnten Erfahrungswerte an Einschätzung zulassen.
Mit dem Wind im Rücken angelt es sich bei dieser Methode besser, und so steuere ich das Ufer mit ablandigem Wind an und mache mich mit dem Seil an einem Schilfbündel fest. Die Angelei findet auf kurze Distanz statt und ließe sich prinzipiell auch von Land aus durchführen. Dann müsste ich mich allerdings erst durch das Schilf kämpfen, und von daher ist das Boot schon die pragmatischere Lösung. Das Wasser in diesem Bereich ist schon als klar zu bezeichnen. Daher möchte ich den Köderfisch im Wasser unter der Pose hängend anbieten. So sollte ihn der Augenjäger Hecht auch über eine größere Entfernung wahrnehmen können.
Als Köder habe ich einige gefrorene Rotaugen dabei. Meeresköder wie Sardinen und Makrelen blieben im Kühlschrank, weil es einerseits nicht kalt genug ist, um ein gutes Gefühl bei deren Einsatz zu haben, und Rotaugen waren hier bisher immer eine gute Wahl.
Die Köfis sollen richtig Strecke machen
Vielleicht ist es auch nur ein Klischee, aber Süßwasserfische biete ich meistens schwebend an, Meeresfisch hingegen lege ich am Grund ab. Diese Unterscheidung beruht bei mir allerdings auf Intuition, rational belegen kann ich diese Theorie nicht oder noch nicht.
Ich habe drei Naturköderruten dabei, die ich unterschiedlich montiert und bestückt habe und zwei davon parallel einsetzen werde. So kann ich schnell reagieren und verliere keine wertvolle Angelzeit mit langen Basteleinlagen.
Die Idee besteht darin, zunächst beide Ruten mit Laufposen und Köfis am Schnellanschlagsystem auszulegen. Mit dem Wind im Rücken oder leicht seitlich, sollen die Rotaugen in einem überschaubaren Bereich driften. Schnell fette ich noch die Schnur, damit diese nicht untergeht und den Kontakt zur Pose erschwert, die Drift verhindert oder gar in Hindernissen hängen bleibt. Die Köder sollen etwas Strecke machen, somit scheidet die Option, sie auf den Grund zu legen, zunächst aus. Ewas variieren möchte ich aber dennoch und nehme daher einen etwas größeren und einen kleineren Köderfisch. Eine Pose stelle ich auf die halbe Wassertiefe und die andere näher zum Grund ein.
Obwohl der Wind nicht besonders heftig ist, würde nach meinem Gefühl eine richtige Segelpose heute zu schnell treiben. Daher entscheide ich mich für Darterposen. Die bieten dem Wind ein wenig mehr Angriffsfläche als die meisten anderen Posen und lassen sich zudem noch auf größere Entfernungen gut im Auge behalten. Dank der geschmeidigen Naturköderruten fliegen die vom Einfrieren etwas weichen Rotaugen sicher und sauber auf die angedachte Distanz, ohne sich schon beim Wurf vom Haken zu lösen. Schnell noch den Freilauf an der Rolle aktiviert, und dann ist das, zum Teil ausgesprochen meditative Posenstarren angesagt.
Der Wind legt deutlich zu, Umdenken ist angesagt
Die linke Pose nähert sich dem Ufer und muss neu ausgeworfen werden, während das rechte, grundnahe Rotauge noch ein gutes Stück Drift vor sich hat. Gerade als ich den richtigen Moment abpassen will und die linke Pose genau im Auge habe, ruckt sie ganz kurz nach unten und zieht leicht seitlich weg. Sollte das schon der erste Hecht sein? Schnell lege ich mir den großen Kescher zurecht.
Der Köfi in natürlicher Schwimmhaltung unter der Laufpose.
Leider stoppt die Pose und bleibt regungslos stehen. Die vorsichtige Kontaktaufnahme lässt keinen Räuber erfühlen, und ich hole die Montage ein. Ein paar Schuppen fehlen und einige kleine Ritzer von scharfen Hechtzähnen haben dem Rotauge einen charmanten Schmiss verpasst. Natürlich könnte man sich nun auch ärgern, den Biss nicht verwertet zu haben, aber vielmehr fühle ich mich in meinem Handeln und dem gewählten Ansatz bestätigt.
Also auf ein Neues, das angebissene Rotauge gegen ein frisches Exemplar ausgetauscht und wieder raus damit. Schon kurz darauf legt der Wind deutlich zu, das erfordert ein Umdenken. Die Köder driften mir viel zu schnell, man kann die beiden Ruten kaum noch parallel bedienen. Daher stelle ich eine Montage zunächst übertief ein, indem ich den Stopper um eineinhalb Meter nach oben verschiebe. Nun liegt der Köderfisch am Grund auf und treibt nicht mehr ab, was zunächst gut klingt, mir aber dennoch nicht gefällt.
Sollte ein Hecht den Köder aufnehmen, ist die Gefahr nicht gering, dass er in Richtung der Hauptschnur davonschwimmt, diese zwischen die Zähne bekommt und kappt. Ich müsste also konsequenterweise ein sogenanntes „uptrace“ montieren, ein weiteres Stahlvorfach oberhalb der ursprünglichen Montage, das einen solchen Vorfall ausschließt.
Frei im Wasser muss der Köfi hängen
Glücklicherweise habe ich ja die dritte Rute mit einer Unterwasserposenmontage dabei. So kann ich den Köder an einer Position fixieren und habe die Sorge mit dem Wind sowie der zu schnellen Drift vom Bein. Zudem weiß ich, dass das Rotauge sich frei im Wasser hängend als Hechtanimateur betätigt. Und zu guter Letzt ist auch ein „uptrace“ Bestandteil der Montage und verschafft mir ein gutes Gefühl. Ich „parke“ also das frische Rotauge in dem Bereich, wo schon der Biss zuvor erfolgte und bin mir sicher, dass der Köderfisch schön frei im Wasser hängt, aber dennoch nicht ins Schilf treiben kann – perfekt.
Die andere Rute wird, wie gehabt, ausgeworfen und der Drift überlassen. Im Prinzip muss ich mich aktiv nur noch um diese kümmern, und das erleichtert die Angelei in dieser Sitution doch ungemein. Tatsächlich machen sich die Maßnahmen bezahlt, und eine Weile später erhalte ich einen vehementen Biss auf das U-Posen-Rotauge. Schnell ist der Fisch gelandet und erweist sich als gut gewachsener Mittachtziger-Hecht. Natürlich freue ich mich und fühle mich im Handeln bestätigt, aber es kommt – wie so oft – alles auf einmal. Gerade als ich den Hecht vom Haken löse, sehe ich im Augenwinkel ein verdächtiges Verhalten der driftenden Pose. Diese bewegt sich zwar noch in gleichbleibendem Tempo, aber gegen die Windrichtung!
Schnell entlasse ich die freundliche Hechtdame, um mich der anderen Rute zu widmen. Langsam zieht die Pose weiter seitlich weg und taucht sogar ab. Das ist es, was einen Großteil des Reizes beim Naturköderangeln ausmacht: die Entwicklung eines Bisses und dabei diese Spannung und Erwartung. Quasi gegen den Lauf des abziehenden Hechtes schlage ich an und verspüre unmittelbar ein behäbiges, langsames, aber eben auch sehr kräftiges Schlagen – alles Anzeichen für einen besseren, wenn nicht sogar großen Hecht.
Dank dem gut abgestimmten und kräftigen Gerät habe ich den Fisch voll unter Kontrolle und kann ihn schon bald sicher über den Kescher führen. Dort gibt er nochmal Gas und spritzt mich ordentlich nass, eine „Hechtwäsche“ bester Machart, die man sich gern gefallen lässt. Die Haken sitzen sicher, sind aber dankbar zu lösen. Das Messen ergibt eine Länge von 109 Zentimetern und sorgt bei mir für ein, zumindest gefühlt, ebenso breites Grinsen.
Das ist er also, der Lohn für umsichtiges Angeln, Fexibilität hinsichtlich der Montage und stetig erneutes Auswerfen – Ansitz mit dem richtigen Ansatz und fernab des Klischees.