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Kabeljau-WM 2006

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Der Lübecker Frank Prohl wanderte vor fünf Jahren nach Norwegen aus, jetzt berichtet er von der Weltmeisterschaft im Kabeljaufischen auf den Lofoten.

Jan Lock

Lofoten
Am 30. März 2006 begann mein großes Angelabenteuer: die Kabeljau-WM auf den Lofoten. Von meinem Heimatort Tromsø in Nordnorwegen startete ich die 6-stündige Autoreise nach Melbu, einer kleinen Hafenstadt auf der Inselgruppe Vesterålen. Auf der Fahrt bot sich mir die ganze prachtvolle Natur Nord-Norwegens: rauhe Felsklüfte, unberührte Fjorde, dichte Nadelwälder und sogar ein paar Rentiere sausten an meiner Frontscheibe vorbei. Mehrmals fuhr ich einfach auf den Seitenstreifen und gönnte mir eine Viertelstunde Rast mitten in der Wildnis. Kurz vor Narvik hielt ich mich westwärts, parallel zu den ersten Ausläufern der Lofoten, über den letzten Zipfel Festland bis zur Inselgruppe Vesterålen. Zu meiner Linken reihten sich gewaltigen Inselkegel aneinander, schroff, schneebedeckt und majestätisch.
 
Ohne große Probleme erreichte ich Melbu am späten Nachmittag. Von hier aus brachte mich die Autofähre nach Fiskebøl, meiner ersten Station auf den Lofoten. In wilden Serpentinen schlängelte sich die Straße vorbei an Berg, Fjord und offener See. Nach weiteren 40 Minuten erreichte ich mein Ziel: Svolvær, Austragungsort des Lofotencup und der Weltmeisterschaft im Kabeljaufischen.
Jan Lock

Jan Lock

Solvaer

WM-Stadt Svolvær

Die Stadt Svolvær zählt rund 4000 Einwohner, liegt auf der Südseite der Lofoteninsel Austvågoy, einem der schönsten Flecken Natur in Nordeuropa. Zum 16. Male wurde dort in diesem Jahr das große Fischereifestival gestartet, mit dem Lofotencup am Freitag und der Kabeljau-WM am Samstag. Während beim Lofotencup am Freitag alle gefangene Fischarten in die Wertung kommen, zählt am WM-Samstag nur der Dorsch, oder „skrei“, wie die Norweger ihn nennen (sprich: skräi).

 
Nach dem Einchecken im Hotel wurde zuerst die hiesige Kneipenszene in Augenschein genommen. Obwohl zwei harte Wettbewerbstage auf alle Teilnehmer warteten, waren die meisten bis spät in die Nacht auf den Beinen und erkundeten sämtliche Bars. Ich kann nur Gutes über Lokalitäten und Bevölkerung berichten. Alle Norweger, mit denen ich in Svolvær in Kontakt kam, verhielten sich mir gegenüber freundlich, höflich und aufgeschlossen. Die meisten sprechen ausgezeichnet englisch und viele verstehen sogar deutsch, daher findet man leicht Anschluß und knüpft die eine oder andere Freundschaft. Mein persönlicher Nachtleben-Tip: Das „Styrhuset“, ein gemütlicher englischer Pub im Zentrum mit Live-Bands am Wochenende und einem halben Liter Pils für 62 Kronen (ca. 8 Euro).
 

Lofoten-Cup

Viel zu schnell kam der Freitag. Die Anmeldung zum Lofotencup verlief ohne Probleme, und mein zugelostes Boot „Havørn” (Seeadler) machte selbst in meinem verkaterten Zustand einen soliden Eindruck. Meine Ausrüstung bestand aus einem typisch norwegischen Pilkset: eine 1,80 m Shakespeare Extension Rute, Multirolle mit 250m 0.40er Sehne, 4 Gummi-Tintenfische als Beifänger und ein 350g „Sillen“-Pilk. Ein etwas unauffälliges Modell, passend zum strahlend schönen Wetter. Die Boote machten sich auf den Weg hinaus aufs Meer, 5 Stunden Abenteuerfischen bei minimaler Dünung und Traumwetter. Leider hatte ich mein Anglerglück an diesem Tage im Hotel gelassen, nur ein einziger Biß war mir vergönnt. Da blieb mir nur, den sympathischen Angelkollegen zuzujubeln, wenn sie ihren Fang an Bord wuchteten. Hauptsächlich Dorsch, vermischt mit Steinbeißern und ein paar Seeteufeln.

 
Jeder Fang verbesserte die Stimmung an Bord, schon bald erinnerte die Situation auf dem Schiff stark an die vergangene Nacht…Viel zu früh war die Angelzeit vorbei, und die Boote kehrten zurück in den Hafen.
 
An Land begann sogleich das Einwiegen der Fische und direkt nebenan trafen sich alle Teilnehmer zu begeisterten Fachdiskussionen. Später folgte die Siegerehrung. Mit meinem Minidorsch hatte ich keine Chance auf eine gute Platzierung, da blieb nur die Hoffnung auf ein besseres Ergebnis am nächsten WM-Tag. Abends wurde jedoch zuerst einmal mit den neuen Freunden gefeiert!
Jan Lock

Jan Lock

Der Weltmeister
Der Schwede Lars Letho mit seinem 19 Kilo-Weltmeisterdorsch.

Weltmeisterschaft

Sonnabend, erster April. Heute gilt es! Zusammen mit 530 anderen Petrijüngern jagte ich den WM-Titel. Prämien warteten auf die Teilnehmer mit bestem Totalfang oder größtem Fisch. Und schwere „skrei“-Exemplare gibt es hier wirklich: der bisher größte Dorsch wurde 1997 gefangen, mit einem Gesamtgewicht von 27 kg! Aber auch ein Fisch um die 16 Kilo kann schon einmal für den Sieg ausreichen, reine Glückssache.

 
Zunächst jedoch dieselbe Prozedur wie am Vortag. Anmelden, das zugeloste Schiff suchen („Skårunge“), warten, bis alle Teilnehmer an Bord sind, Abfahrt. Offizieller Angelstart war 9.30 Uhr, und was für ein Start! Schon nach wenigen Minuten krümmte ein harter Biß meine Rute, das Einholen der Sehne geschah unter hartem Widerstand des Fisches. Geschafft, ein schöner 7 Kilo-Dorsch zappelte an Deck. Meine beiden „Angelnachbarn“ spendierten sogleich einen Jägermeister, die beiden Pensionäre stiegen auch auf Tintenfisch-Beifänger um. Fast alle an Bord fingen mehr oder weniger gut in den nächsten Stunden, „Skårunge“ konnte später stolz auf einen der besten Totalfänge unter allen 68 Booten verweisen. Das Wetter war genauso schön wie am Vortag, die herumfliegenden Helikopter der Fernsehteams filmten eine Panoramaszene nach der anderen. Doch auch dieser Erlebnistag ging zu Ende, beim Wiegen kam ich auf 12 kg Totalfang und immerhin einen 26. Platz in dieser Kategorie.
 
Sieger Lars Letho, ein Schwede vom Kiruna Meeresangelclub, gewann mit einem 19 kg schweren Kabeljau, ein echter Weltmeisterfisch!
 

Abschlussfest

Abends wurde erneut bis spät in die Nacht gefeiert. Hier sei ausdrücklich erwähnt, dass trotz vieler feucht-fröhlicher Runden keine ”Krawalle” während des Festivals auftraten. Offensichtlich kannten alle Teilnehmer ihre Grenzen und verstärkten damit die ungetrübte Freude bei diesem Ereignis.

 
Voller Wehmut nahm ich am Sonntag Abschied von den Lofoten. Dieser Veranstaltung mangelte es an nichts, nächstes Jahr bin ich garantiert wieder mit dabei! Vielleicht klappt es ja dann mit dem Weltmeister-Kabeljau…
 
Frank Prohl, Tromsø
Jan Lock

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