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Spezielle Wallerrutenhalter gab es noch nicht. Normale V-Rutenhalter erfüllten mehr schlecht als recht ihren Zweck. Bild: Alex Knittel |
Auf ins Mekka des Wallerangelns
Als sich meine Mutter, auch begeisterte Anglerin, von Ihrem Lebenspartner trennte, konnte ich sie überreden, mit mir ins Mekka des Wallerangelns zu fahren, an den Ebro nach Spanien.
Nur was nehmen wir für Angelgerät mit? Ich suchte mich durch die Programme verschiedenster Hersteller für Meeresangler und wurde fündig: Brandungsruten. Glasfaser-Teleskopruten mit 4,20 Metern Länge und einem Wurfgewicht von 500 Gramm sollten für die Giganten vom Ebro herhalten. Als Schnur wurde eine geflochtene Dacron gekauft und auf die größte Stationärrolle gepackt, die der Markt zur damaligen Zeit hergab sowie Hochseewirbel und Drillinge der Größe 10/0. Die Rute war ein übles Teil, das Handteil war so dick wie die heutigen Rutenständer.
Um mich ins Wallerfischen einzustimmen, sah ich Videokassetten von Kevin Maddocks aus England, das war der erste Waller-Profi, der mir damals bekannt war. So ging der erste Ebro Trip im August 1994 mit meiner Mutter ins Camp Los Tapioles nahe Mequinenza. Gudrun und Klaus, aus Augsburg, betrieben damals dieses kleine Camp am oberen Stausee, in der zweiten Bucht nach der Staumauer. Ohne Strom und fließend Wasser, Wildnis pur. Ein Mietwohnwagen diente uns als Unterkunft.
Toter Karpfen an der Brandungsrute
Während der ersten beiden Tage dachte ich mir: Mein Gott was will ich hier in dieser Einöde, nur Sand, Gestrüpp und Felsen, sonst nichts. Aber so nach und nach fühlte ich mich wohl.
Jetzt sollte es endlich am Ebro auf Waller gehen, aber wie? Ich fragte Klaus und der meinte: Fang dir einfach ein paar kleine Karpfen hier in der Bucht und die hängst du dann als Köder hin und legst sie auf Grund. Techniken wie Bojenfischen, Klopfen, Schleppen und Spinnfischen auf Waller, ja sogar die Pelletfischerei, steckte damals in dieser Gegend noch in den Kinderschuhen.
Also gesagt , getan. Wir fingen uns ein paar kleine Karpfen, damals gabs ja noch reichlich von der 1-3 Kilo-Klasse. Abends fuhren wir runter nach Mequinenza und suchten uns eine Stelle gleich hinter der Staumauer – los gings. Die dezente Brandungsrute wurde mit zwei 10/0-er Drillingen und einem toten Karpfen bestückt und ausgeworfen. Für diese Rute war das Ködergewicht kein Problem.
Nach einiger Zeit wollte ich die Köder kontrollieren. Sie saßen fest, keine Chance, den Hänger zu lösen. Wir mussten die 80-er Dacron kappen. Das ging mehrere Male so. Nach zwei Tagen, als das Wasser fiel, sahen wir warum: Die alten Obstgärten und Olivenbäume des früheren Mequinenza erblickten nun wieder die spanische Sonne, verziert mit meiner geflochtenen Schnur und den Karpfen, die zum Trocknen im Baum hingen. Toll, dachte ich mir, super Tipp.
Lauben brachten den ersten Biss
Wir wollten unser Glück an anderen Plätzen versuchen, aber da gab es so viele gute Stellen, dass man nicht wusste, wo man anfangen soll
In der zweiten Woche nahm mich ein älterer Herr namens Leo aus Stuttgart mit. Er hatte ein 4-Meter- Schlauchboot mit 5 PS. Als wir aus der Bucht fuhren und vor mir die riesigen Steilwände hervorragten, mit den kreisenden Geiern und der gewaltigen Wasserfläche des oberen Stausees, da war ich vom Ebro Virus endgültig überwältigt.
Nach gut einer Stunde Bootsfahrt kamen wir an Leos Stelle an. Wir ankerten und legten Lauben aus. Während er mir sehr interessante Tipps gab, bekam ich plötzlich einen so heftigen Biss, dass es mir fast die Rute ins Wasser zog und die Bremse nicht mehr aufhörte zu quietschen. Ich dachte: Oh mein Gott, ein U-Boot aus Frankos vergessenen Zeiten! Ich hatte doch nur einen 1/0-er Einzelhaken und Monoschnur drauf! Leo stand mir super zur Seite und mit vereinten Kräften konnten wir meinen ersten Waller landen. Ich war überglücklich. Und jedes Mal, wenn ich heute bei meinen Guidingtouren an dieser Ecke vorbeikomme, muss ich an diesen Tag denken. Denn so ein Erlebnis vergisst man nicht. Nachdem wir noch zusätzlich einige Zander und Barsche fingen, fuhren wir mit der Beute zurück ins Camp. Als wir mit dem Fang im Camp ankamen, wurden Kameras gezückt. Mein erster Waller war der Shooting-Star – war das ein geiler Tag!
Das Klopfen abgeschaut
Einmal Ebro, immer Ebro, meinte Camp-Besitzer Klaus und lachte. Und so war es auch, daraufhin kauften wir uns einen eigenen Wohnwagen und fuhren wieder nach Spanien. Als das Camp zwei Jahre später leider aus gesundheitlichen Gründen geschlossen werden musste, waren wir gezwungen, uns ein neues Camp zu suchen. Zum Glück hatte Peter Pandura einige Monate zuvor ein Angelcamp unterhalb von Mequinenza aufgemacht. Dort konnten wir unseren eigenen Wohnwagen das ganze Jahr über stehen lassen. Bei Peter hab ich viel über das Wallerfischen gelernt. Von ihm schaute ich mir auch das Klopfen ab. Er ist einer der Wenigen, der es zur damaligen Zeit schon meisterlich beherrscht hat.
Mit Werner, einer von Peters Guides, verstand ich mich super und er nahm mich oft mit hinaus zum Wallerangeln, um vieles auszuprobieren. Wir fischten am Anfang häufig mit der Bojenmontage. Doch nicht mit stabilen Rutenhaltern und hochgestellten Ruten, wie heutzutage, sondern mit normalen V-Rutenhaltern. Tja, bei heftigen Bissen kam es schon vor, dass die Rute Richtung Wasser wanderte.
Fischen mit Echolot war wie Mondlandung
Auch das Gefummel mit der 5 bis 8 Meter langen, monofilen Reißleine endete oft im Chaos. Wir überlegten uns die Technik mit der Hilfsboje und kurzer Reißleine, und siehe da, es hat geklappt. Auch das Klopfen auf Waller hat mich in den Bann gerissen und vor allem das Fischen mit Echolot, bei dem man den Köder quasi vors Fischmaul halten kann, war Wahnsinn. Das war für mich damals wie meine persönliche, erste Mondlandung.
Ich musste auch ein Wallerholz haben! Gott sei Dank, ich lernte Achim kennen, der die Hölzer selber herstellte, sie bis heute für uns macht und mit denen wir immer noch erfolgreich fischen. Zuhause übte ich mit dem Holz fleißig übers Jahr in der Badewanne, leider musste ich das Bad jedes Mal danach wieder trockenlegen. Jeder, der seinen ersten Waller beim Klopfen gefangen hat, der weiß, was das für ein geiles Gefühl ist. Man ist sozusagen in der Königdisziplin der Wallerfischerei angekommen.
Hobby zum Beruf
Als wir dann auch ein eigenes kleines Boot hatten, fuhren wir zum Schleppen auf Waller hinaus, zum Spinnfischen und nachmittags zum Klopfen auf Waller. Vorteil der Klopferei ist: Man braucht nur wenig Tackle und man fischt viel mehr Strecke ab.
Vor 10 Jahren beschloss ich, mein Hobby zum Beruf zu machen und am Ebro zu arbeiten. Wir lernten einen Campingplatzbesitzer nahe Caspe kennen, der auch Bungalows vermietet. Nach ein paar Gesprächen, stand der Plan und ich mietete mich dort mit ein. So entstand Knittels Ebro Angelcamp. Seit 2014 haben wir jetzt ein Camp auf unserem Campingplatz in Mequinenza.
Erfolgsköder Waller-Pellet
Doch die verschärfte Gesetzes- Lage der letzten Jahre mit Köderfischverbot verlangte nach neuen Angelmethoden, um erfolgreich weiter auf Waller zu angeln. Als die Engländer von den gigantischen Karpfenbeständen Wind bekamen, sie vermehrt mit Pellets auf Karpfen fischten und immer mehr und mehr Waller auf die Karpfenruten bekamen, wurde das Wallerfischen mit Pellets geboren, das bis heute noch eine der erfolgreichsten Methoden ist. Klar, wir hatten unsere Experimentier-Zeiten und es hat auch seine Zeit gedauert bis wir alles perfektioniert hatten. Und siehe da, es hat sich gelohnt: 2012 wurde ich mit meinem Team Vize-Weltmeister beim Wallerfischen.
Rückblickend auf vergangene Zeiten, bin ich schon gespannt, was sich in den nächsten Jahren verändern wird. Es gibt so viele Möglichkeiten gibt, auch ohne Köderfisch auf Waller zu angeln. Ich selbst angle seit Jahren erfolgreich ohne Köderfisch auf Wels und es hat bestens funktioniert.
Wir Wallerangler können uns heute glücklich schätzen, dass es so viele Spezialgeräte samt Zubehör im Fachhandel gibt. Es ist alles vorhanden, um erfolgreich am Gewässer unseren Zielfischen nachzustellen.
Alexander Knittel
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