ANZEIGE

Der Hechtpapst öffnet sein Archiv!

4270


Im 3. Teil der Serie auf Raubfisch.de nimmt Jan Eggers wie in einem Wissenschafts-Krimi fossile Hechte aus längst vergangenen Zeiten unter die Lupe.

 

Bild: Jan Eggers
Ein echtes Mitglied der Esox-Familie: Ein circa 20 Millionen alter Esox lepidotus, der den heutigen Hechten schon ähnelt. Bild: Jan Eggers

Urzeithechte

“Im bei Sammlern begehrten Buch ‘Pike’ meines guten Freundes Fred Buller, das 1971 erschienen ist, finden sich vier Seiten über fossile Hechte”, berichtet Hechtpapst Jan Eggers. “1981 folgte dann Bullers Buch ‘Pike and the Pike Angler’, zu dem ich viel beigetragen habe. Das Kapitel über fossile Hechte ist hier 10 Seiten lang. Für mich war das schon immer sehr interessanter Lesestoff und ich habe darüber ein paar Jahre später sehr intensiv mit Fred diskutiert. Die Diskussion wurde durch meinen Artikel in der FISCH & FANG ausgelöst, der für viel Verwirrung gesorgt hatte”, erklärt Jan Eggers.

 
Nach einiger Forschung meinerseits und Kontakten zu Wissenschaftlern in Deutschland, Kanada und England konnte Jan Eggers die sogenannte “Bone-Pike Affair” (Knochenhecht-Affäre), die damals einige Wellen schlug, schlussendlich auflösen.
 
“Ich konnte nicht nur wissenschaftliche Informationen sammeln, sondern auch einige interessante Fotos von fossilen ‘Hechten’”, so Jan Eggers weiter. Die Anführungszeichen beim Wort Hecht wird man erst am Ende dieses Artikels ganz verstehen.

Erst maximal 30 Millionen Jahre alt?

Der älteste Hecht, der im Buch “Pike” (Der Hecht) von Fred Buller genannt wird, heißt Esox lepidotus und lebte im späten Miozän, so etwa von 20 Millionen Jahren. Esox papyraceus war noch 10 Millionen Jahre älter. “Tja, und ich konnte herausfinden, dass es auch schon vor gut 50 Millionen Jahren Hechte gab”, berichtet Jan Eggers. “Als Fred diese Nachricht von mir per Telefon erhielt, hatte er viele Fragen. Vor allem sollte ich mit dem Wissenschaftler Dr. Weitschat Kontakt aufnehmen, um weitere Informationen und am besten ein Foto eines Fossils aufzutreiben.”

Die Fossilien dieser Hechtart wurden in der Grube Messel, zwischen Darmstadt und Frankfurt gefunden. In dieser Grube wurde Braunkohle gewonnen und hin und wieder kam ein fossiler Fisch ans Tageslicht. So auch dieser besagte Urhecht, den der Wissenschaftler mit dem Namen Knochenhecht bezeichnete. Der Name passt, bestehen doch die Schuppen aus Knochenplatten und die Flossenstrahlen sehen wie Fingerglieder aus. Jan Eggers weiter: “Verschiedene Male fragte mich Fred, ob es sich bei diesem Fisch um einen Verwandten von Esox lepidotus und Esox papyraceus handele. Ich habe Dr. Weitschat nochmals angerufen. Er konnte das Alter von 50 Millionen Jahren bestätigen, denn die Braunkohlelagerstätte konnte gut mit der C-14-Methode altersbestimmt werden. Blieb also nur noch die Kernfrage: Um was für einen Hecht handelte es sich beim Knochenhecht?
 

 

Bild: Jan Eggers
Verfressen bis in alle Ewigkeit: Der Knochenhecht, abgebildet mit obenliegendem Rückgrat, mit einem Amia-Beutefisch im Maul. Bild: Jan Eggers

Ein alter Stich ist der Schlüssel zur Lösung

In der Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts gab es noch kein Internet und keine E-Mail. Jan Eggers hatte deshalb Angst, die wertvollen Bilder per Post nach England zu Fred Buller zu schicken. “Ich beschloss, für ein Wochenende nach Little Missenden, dem Wohnort von Fred Buller, zu reisen. Ehrlich gesagt, war Fred aufgeregter beim Betrachten der Hechtversteinerungen, als beim Anschauen der 18-Kilo-plus-Hechte für seine ‘Big Pike List’ (Großhechtliste). Er schaute voller Staunen auf ein Fossilien-Foto. Im offenen Maul des abgebildeten Fisches steckte noch ein großer Beutefisch. Ein Phänomen, das auch heutzutage bei übermäßig verfressenen Hechten immer wieder vorkommt. Über solche Vorfälle wird ein weiterer Teil dieser Artikelserie noch ausführlich berichten”, erklärt Jan Eggers.

 

 

Bild: Jan Eggers
Oben der Knochenhecht, der Fred Buller an den ‘Cepedian pike’ erinnerte, abgebildet auf einem alten Kupferstich. Unten im Bild unser Esox lucius. Bild: Jan Eggers
Der Hechtpapst weiter: “ Ich hatte auch ein Foto im Gepäck, dass Fred Buller noch mehr interessierte. Dieses Bild erinnerte ihn an eine alte Radierung. Den alten Stich legte er neben das Bild des fossilen Fisches. Jetzt begann Fred in allerlei Kästen und Schubladen zu wühlen, Bücher wurden gewälzt. In kurzer Zeit herrschte in seinem Studierzimmer ein reines Chaos. Dann zeigte er mir das gesuchte Papier. Darauf abgebildet war der fossile Knochenhecht, dessen Foto ich mitgebracht hatte, und darunter die Inschrift ‘Cepedian Pike’.
Der abgebildete Hecht war viel jünger als unser Knochenhecht, stammte der Stich doch aus dem Jahr 1808. Unbestreitbar ähnelten sich beiden Fische stark, obwohl der Knochenhecht auf dem Rücken liegend abgebildet war. Beide Hechtspezialisten grübelten nun über folgende Frage: Woher stammte dieser Kupferstich?
 
 

 

Bild: Jan Eggers
Ebenfalls ein Verwandter der Knochenhechte, der trotz ihres Namens nicht mit der Esox-Familie verwandt sind. Man beachte die Schuppen und verknöcherten Flossenstrahlen. Bild: Jan Eggers

Fred Buller wusste es nicht, aber seine Frau Pauline konnte sich erinnern. Der Stich stammte von der Enkelin des berühmten Chefredakteurs der Angelzeitung ‘Fishing Gazette’, R.B. Marston. Diese Patricia Marston war inzwischen die Gemahlin eines der besten Freunde Fred Bullers, sie war die Frau des berühmten Anglers Richard Walker. Jan Eggers berichtet weiter: “Jetzt mussten wir nur noch in Erfahrung bringen, aus welchem Buch diese Zeichnung stammte. Nach ein paar Telefonaten mit Händlern von alten Angelbüchern erhielt Fred den Tipp, doch einmal mit dem Kurator des British Museum, Abteilung Naturgeschichte, Kontakt aufzunehmen. Fred hatte schon viele Jahre guten Kontakt zu Alwyne Wheeler, aber leider war auch hier der ‘Cepedian pike’ unbekannt. Der Wissenschaftler hatte aber eine Idee: Möglicherweise handele es sich nicht um ein Mitglied der Esox-Familie, sondern um einen Vertreter der Alligatorhechte aus dem Verwandtschaftskreis Atractosteus spatula (Lacepede). Gegenwärtig leben die beiden heute noch lebenden Arten, Spotted Gar und Longnose Gar, in der Osthälfte der USA und auf Kuba, äußerlich erinnern sie an unseren einheimischen Hecht. Den wissenschaftliche Namen haben die Knochenhechte vom adeligen französischen Naturwissenschaftler Comte de La Cépède bekommen. In der Zeit der Französischen Revolution nannte er sich aus Angst vor der Guillotine noch Herr Cepede, aus der Kurzform seines Namens wurde dann ‘Cepedian pike’.”

 

 

Bild: Jan Eggers
So sieht der Amia-Beutefisch aus, der Fisch ist auf dem Rücken liegend versteinert. Bild: Jan Eggers

Sogar der Beutefisch konnte bestimmt werden

Nun wussten Fred Buller und Jan Eggers, dass es sich um einen Alligatorhecht handelte. Beide forschten weiter und nahmen Kontakt mit dem Paläontologen Dr. Peter Forey auf. Dieser hatte in seiner Sammlung von Versteinerungen auch ein paar Exemplare aus der Grube Messel. Er erkannte sogar den Beutefische im Maul des Knochenhechtes, der inzwischen als Alligatorhecht identifiziert werden konnte. Dieser Fisch gehörte zur Amia-Familie, ein Vertreter der Schlammfische, die heute im Stromgebiet des Mississippis leben.

“Wenn ich zurückblicke, dann komme ich zu der Schlussfolgerung, dass die ganze Verwirrung durch die falsche Interpretation des Wortes ‘Knochenhecht’ entstanden ist”, gesteht Jan Eggers. “Ich wusste natürlich, dass es im Deutschen viele ‘Hechte’ gibt, etwa die Hornhechte, die ebenfalls nichts mit den richtigen Hechten gemeinsam haben, aber daran hatte ich leider nicht eine Sekunde gedacht.” Auch in anderen Sprachen taucht im Wort für Hornhecht das Wort Hecht auf. Schweden: Hecht = gädda, Hornhecht = Horngädda. Finnland: Hecht = hauki, Hornhecht =nokkahauki. England: Hecht = pike, Hornhecht = garpike.
Dass die Körperform dieser Fische – spitzes, schnabelartiges Maul, schlanke, torpedoförmiger Körper, und nicht zu vergessen das Triebwerk am Hinterkörper, bestehend aus Schwanz-, Rücken- und Afterflosse – ein Erfolgsmodell der Evolution ist, wie bei unseren echten Hechten, ist inzwischen bewiesen.
 

 

Bild: Jan Eggers
Der älteste bekannte Hecht: Esox tiemani, der weiße Pfeil zeigt auf das Rückgrat eines verdauten Beutefischchens. Bild: Jan Eggers

Der älteste Hecht der Welt

Kurz nach dem Treffen mit Fred Buller, hatte der englische Hechtforscher einen Bericht erhalten. Darin stand, dass in Kanada ein echter fossiler Hecht gefunden worden war, der ein Alter von 56 Millionen Jahre hatte: die Art hieß Esox tiemani. Diese Versteinerung wurde von B. Tieman beim Anlegen eines Weges zu einer Erdölbohrung entdeckt. Auf diesem Foto sieht man, dass dieser Urhecht mehr oder minder unserem heutigen Hecht gleicht, auch dass sich die Essgewohnheiten der Hechte bis heute nicht verändert haben. In seinem Magen finden sich die Reste seiner letzten Mahlzeit (weißer Pfeil), das Rückgrat eines Beutefischchens.

 

 

Bild: Jan Eggers
Der Unterkiefer eines massiven Hechtes, der im Abfallhaufen einer römischen Siedlung bei Köln gefunden wurde. Bild: Jan Eggers
“Ältere Hechte habe ich nicht in meiner Sammlung. Wohl aber Abbildungen von Hechten auf Tierknochen, die vor 17.000 Jahren von Höhlenbewohnern im heutigen Frankreich eingeritzt wurden. Auch wurden Hecht-Unterkiefer in den Sedimenten der Nordsee gefunden. In der Steinzeit lagen weite Teile dieses Meeres trocken. Auch Mammutknochen finden sich heute dort im Meeresschlamm. Auch vor tausenden Jahren wurde in unseren Landen der Hecht gerne gegessen, in Abfallgruben aus diesen Zeiten finden sich auch heute noch Hechtgräten. Besonders interessant finde ich den Unterkiefer eines massiven Hechtes, der in der Nähe der Küche einer römischen Siedlung bei Köln gefunden wurde, von dem ich ein Foto erhalten habe. Mehr verrate ich darüber noch nicht”, erklärt Jan Eggers. Mehr dazu vielleicht demnächst einer weiteren Folgen von “Der Hechtpapst öffnet sein Archiv!”
 
 
 

Aboangebot