Großer Köderfisch, großer Zander? Ja, sagt Uwe Pinnau. Er geht die kapitalen Zander mit Hecht-Methoden an.
Ein warmer Sommertag Anfang der 80er Jahre, irgendwo in Mecklenburg. Ich sitze mit meinem Vater in Onkels urigem Holzkahn, und wir stippen mit unseren Bambusruten um die Wette. Ein schönes Rotauge nach dem anderen findet Gefallen an unseren Würmern, die wir tags zuvor noch heimlich dem dampfenden Misthaufen in Omas Gemüsegarten entlockt haben.
Nicht dass es langweilig ist, aber auf einmal kommt meinem Vater die Idee, eines der größeren Rotaugen mal den Hechten anzubieten. Zumindest einen vermutet er in der Nähe, im Schatten des Seerosenfeldes hinter uns. Schnell ist der stattliche Silberling angeködert, gekonnt hinausgeschlenzt, und die zigarrenförmige Hechtpose bezieht Stellung unweit der Schwimmblattpflanzen. Die Sonne sticht, und bei all den Lichtreflexen auf der Wasseroberfläche ist es auf die Entfernung gar nicht so einfach, den Schwimmer im Auge zu behalten. Polbrillen hatten wir damals natürlich noch nicht.
Diese klassische holländische Zanderpose könnte Uwes große Zander-Köderfische kaum tragen.
Deshalb wechselt er beim Zander-Angeln mit großen Köderfischen zum schweren Hechtproppen.
Die Mühe können wir uns auch schon bald sparen, denn als mein Vater sich mal wieder umschaut, hat sich bereits ein beträchtlicher Teil der dicken Monoleine von der Rolle verabschiedet, und die Pose schneidet durch die leichten Wellen in Richtung Seemitte. Dem entschlossenen Anhieb folgt ein turbulenter Drill, an dem sich dramatisch biegenden Glasstecken.
Als sich der Gierschlund am anderen Ende dann schließlich geschlagen gibt
und in den Kescher gleitet, sind wir mehr als verblüfft. Statt dem erwarteten Hecht hat sich ein Zander den ordentlichen Happen einverleibt. Damit hatten wir nicht gerechnet, denn wenn man es auf Zander abgesehen hatte, dann doch bitte mit einem schmalen Ukelei und nicht mit einem 20-Zentimeter-Rotauge.
Kein Einzelfall
Der landläufigen Meinung nach ist der ideale Zanderköder eher schlank und um die zehn Zentimeter lang. Und das gilt nicht nur für Naturköder, auch bei den Gummifischen ist dieser Grundsatz vielleicht nicht direkt in Stein gemeißelt, aber unter der Anglerschaft weit verbreitet.
So ein handlanges Rotauge ist für einen halbwegs großen Zander überhaupt kein Problem. Kapitale Zander werden auch mit deutlich größeren Köderfischen fertig.
Hemmungslos: Dieser Zander hat den großen Köfi voll genommen.
Was Kunstköder angeht, muss ich gestehen, eigentlich durchgehend 15 Zentimeter lange Gummis wie den Shaker zu fischen und damit auch Zander zu fangen. Regelkonform wäre vielleicht eine Nummer kleiner und etwas schlanker, aber gerade in der letzten Zeit haben wir ja alle gesehen und gelernt, dass man auch Zander mit ziemlich großen Kunstködern fangen kann.
Gilt das nun auch für Naturköder, oder haben wir damals eine Ausnahme gelandet? Szenenwechsel. Spätherbstliches Hechtangeln auf einem langsamen Fließgewässer. So richtig gut meint Petrus es heute nicht, und die Fänge bleiben eher überschaubar. Es ist der Mut der Verzweiflung, aber auch eine gute Spur Zuversicht und Überzeugung, die mich zu dem noch größten vorhandenen Rotauge in der Köderbox greifen lassen.
Es kommt, wie es kommen muss, auf die „Nummer-Sicher-Köder“ geht fast nichts, und kaum ist das große Rotauge dran, zieht die Pose langsam seitlich weg und schert aus dem Fahrwasser aus. Ich nehme vorsichtig Kontakt auf, fühle den Fisch am anderen Ende und schlage an. Mein Kontrahent liefert an der geschmeidigen 2,75-lb-Naturköderrute einen ordentlichen Drill, bleibt aber untypisch lange unten.
Den Gesetzmäßigkeiten der Physik folgend, gibt sich der geheimnisvolle Räuber dann doch bald geschlagen, und zu unserem Erstaunen liegt ein ordentlicher Zander im Kescher. Wie kann das sein, war da nicht dieser Grundsatz mit den eher kleinen Köderfischen? Als ob diese nette Überraschung nicht schon genug Grund zur Freude gibt, geschieht einen Tag später nochmal fast dieselbe Nummer, und dabei ist der Zander sogar noch etwas größer. Klassischerweise bissen beide Fische in der Dämmerung.
Widerstand ist relativ
Auf zuviel Widerstand stehen Zander ja bekanntlich nicht so sehr. Und schon manches Mal habe ich es, besonders in tieferem Wasser, erlebt, dass man einen Biss bekommt, die Pose aber bereits wieder auftaucht, bevor man die Rute richtig aufnehmen kann. Heute glaube ich, dass diese Scheu des Zanders proportional zu der Ködergröße abnimmt.
Wie so oft beim Angeln läuft es auch hier darauf hinaus, dass man immer versuchen sollte, ausgewogen und harmonisch zu angeln. Ein kleiner Köderfisch, an einer viel zu wuchtigen und auftreibenden Pose, stellt ein Problem dar. Bei einem großen Köderfisch ist das aber wohl anders gelagert, ganz abgesehen davon, dass er ohnehin einen größere Pose erfordert. Hat sich ein Zander für den opulenten Futterfisch entschieden, scheint das Mehr an Auftrieb oberhalb nicht so sehr zu stören. Der Räuber hat ja auch schon genug mit dem Bewältigen der Mahlzeit zu tun. Dazu passt auch eine Erfahrung, die ich an einem Dezembertag bei Schneeregen und eisiger Kälte an einem Kanal machen darf. Nahe einer Brücke, an einem schmalen Durchlauf, lege ich einen ganz schön großen Köderfisch am dicken Hechtschwimmer aus. Wenn was geht, dann hier, denke ich mir. Und als sich schon der Boden der Thermoskanne im letzten Rest des wärmenden Darjeelings abzeichnet, gerät die grobschlächtige Laufpose vehement in Fahrt.
Ich denke Hecht, und lasse den Fisch schön in den Widerstand der Rute laufen. Schließlich kommt aber wieder mal ein Zander an die Oberfläche. Der große Köderfisch hat den angedachten Adressaten nicht erreicht, ist aber dennoch „zugestellt“ worden.
Die neue Regel steht
Dieser Zander ist nicht sonderlich groß, scheint aber schon einiges erlebt zu haben. Etwas zerzaust und wie ein Rummelboxer mit Blumenkohlohren kommt er daher. Kein wirklich schöner Fisch, aber zum einen hat er mir den Tag gerettet und auch wieder gezeigt, dass Ausnahmen nicht nur die Regel bestätigen, sondern gerade bei dieser Angelei sogar eine neue Regel entsteht. Und zwar die, dass man sich generell auch gern mal den Zander als Zielfisch auf die Fahne schreiben darf – auch wenn die Köderfische größer ausfallen sollten.
Diesen Zander taufte Uwe „Rummelboxer“, wegen seines ramponierten Aussehens. Auch er biss auf einen großen Köfi.
Material und Montage
Beim Zanderangeln mit großen Köderfischen orientiere ich mich an den klassischen Hechtmontagen. Das ist auch in jeder Hinsicht notwendig, weil bei den verwendeten Ködern jederzeit ein Hecht einsteigen kann. Hechtsicher muss es also sein.
Uwes Schnellanschlag-Systeme zum Ansitzangeln (oben) und zum Schleppen (darunter). Für Letzteres eignen sich Schlepp-Posen sehr gut. 30 Gramm Tragkraft sollten nicht überschritten werden.
Ich arbeite hier ausschließlich mit Metall. 49-fädiges Stahlvorfachmaterial mit einer Tragkraft von 8 bis 12 kg ist genau richtig (z.B. von Camo Tackle oder Think Big). Und auch bei Zandern leistet das klassische Schnellanschlagsystem mit 2 Drillingshaken gute Dienste. Ich verwende sie in den Größen 6 und 8 (z.B. von Partridge, Greys, Fox oder auch gern die UV-Drillinge von MB Fishing). Wichtig ist, dass die Haken nicht zu dünndrähtig, aber dennoch scharf genug sind.
Die Vorfachlänge beträgt in der Regel so um die 50 cm, darf aber auf keinen Fall kürzer als 40 cm sein. Für das Schleppen mit dem Köderfisch – auch das funktioniert bei Zandern – schalte ich den zwei Drillingen gern noch einen Einzelhaken (Karpfenhaken Größe 4 oder auch Partridge VB) vor, der den Köfi sicher in der Lippe hält.
Eine Naturköderrute (z.B. Purist Apex Predator von Shimano) macht die Fische schnell müde und gibt gutmütig nach, wenn die Räuber kurz vor der Landung noch einmal loslegen.