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Der Kosak aus Koblenz

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Heutzutage ist er vielerorts verboten — der Kosak oder Tunkfisch. Denn durch den eingegossenen Drilling eignet er sich nicht nur zum Zocken, sondern leider auch zum Reißen. Trotzdem ist er der wahrscheinlich erste, gewerblich hergestellte Kunstköder Deutschlands.

Thomas Kalweit

„Diese Kosaken werden sehr schön versilbert von Rühl & Meyer in Coblenz gefertigt. Sie haben unten drei Haken. Versendet werden diese Scheinfische im Großen in einem Etui, das 6 Stück von jeder Größe 2 enthält, nebst Vorfach und einer Beschreibung.“ Diese Fußnote fügte der Baron von Ehrenkreutz einer Neuauflage seines Standard-Werkes „Das Ganze der Angelfischerei“ vor etwa 140 Jahren hinzu. Sie ist die erste Erwähnung eines kommerziell produzierten, deutschen Kunstköders. Zuvor wurden ausschließlich Köder aus England und den USA importiert.

Köder aus dem Knast

Die von Ehrenkreutz beworbene Firma „Cartonage- und Etuis-Fabrik Rühl, Alberti & Mayer“ wurde am 1. März 1854 von Johann Baptist Rühl in Koblenz gegründet. Obwohl die tüchtigen Geschäftsleute alle ihre Erzeugnisse in der örtlichen Gefängnisfabrik kostengünstig von Inhaftierten fertigen ließen, ging sie bereits 10 Jahre später pleite.

Der Baron lebte mindestens von 1844 bis 1847 in Ehrenbreitstein bei Koblenz. Dort verfasste der 60-jährige Hauptmann a.D. und Ritter des Eisernen Kreuzes 1845 seinen Angel-Klassiker „Das Ganze der Fischerei“, fischte im Rhein und am Laacher See. Abends schmökerte er in seiner mächtigen Fischerei-Bibliothek. Das Anglerwissen der Welt stand bei Ehrenkreutzens in vielen Sprachen.

Viel mehr wissen wir leider nicht: Als historische Figur ist Ehrenkreutz nur sehr schwer zu packen. Noch nicht einmal sein genauer Vorname lässt sich in den Archiven feststellen – die Kürzel variieren zwischen „J. V.“ und „K.“, und auch die Schreibweise seines Nachnamens wechselt regelmäßig zwischen den Endungen „z“ und „tz“. Noch nicht einmal sein genaues Geburtstdatum steht fest: Es soll um 1786 liegen. „Das Ganze der Angelfischerei“ geriet zum Bestseller, in rascher Folge erschienen heißbegehrte Neuauflagen. Das lukrative Buch-Projekt wurde nach dem Tod des Barons von seinem Sohn Hermann fortgeführt und erweitert. Das Sterbedatum des Vaters ist unbekannt, deshalb wissen wir nicht, ab wann der Filius die Feder in die Hand genommen und die neueren Ausgaben deutlich überarbeitet hat. Als Autor aller Ausgaben erscheint stets der „Baron von Ehrenkreutz“ – aber so hieß ja auch der Sohn.
Was für die Engländer Izaak Walton, ist Ehrenkreutz für uns – der Altvater der Angelfischerei. Beide machten in ihren Ländern aus einer belächelten Lausbuben-Beschäftigung eine intellektuelle Herausforderung für den Gentlemen. Walton gelang dies schon 1653, wir Deutschen brauchten noch 200 Jahre, bis ein greiser Kriegsveteran in Ehrenbreitstein zur Feder griff.
Die Dreiflüssestadt Koblenz zwischen Mosel, Rhein und Lahn entwickelte sich durch das Wirken der Barone zum Zentrum der Angelfischerei. So gab es dort um 1875 gleich zwei führende Angelgeschäfte, die Galanteriewarenhandlungen Waitz und Reischig. Und das zu einer Zeit, wo es in deutschen Landen und in Österreich gerade einmal 10 Fachhändler für unser Hobby gab.
Mormyschken
Russische Mormyschkas: Vorlage für den Kosaken?

Tanz der Kosaken

Warum der erste Köder eines deutschen Herstellers aber den Namen eines Reitervolkes aus der russischen Steppe trägt, kann niemand mit Sicherheit sagen. Möglicherweise stammen die Bleifischchen ursprünglich aus den Weiten im Osten. In Russland werden seit Urzeiten „Mormyschkas“ als Zuckfischchen beim Eisangeln verwendet.

 Oder kommt der Name von der tanzenden Köderführung, wobei der Kosak geradezu einen Kasatschok am Gewässergrund vollführt. „Man ziehe ihn mäßig schnell bald rechts, bald links, bald hoch, bald lasse man ihn sinken“, so zuckte der Baron den Tunkfisch durch Rhein, Lahn und Mosel.
Beide Ansätze erklären aber nicht, warum der zinnerne Zuckfisch zum ersten Mal in Koblenz auftauchte. Deshalb eine schönere Geschichte: In der Neujahrsnacht 1814 überquerte ein russisches Armeekorps, der rechte Flügel von Blüchers Armee, den Rhein bei Koblenz. Die französischen Besatzer unter dem Befehl Napoleons hatten die Stadt kurz zuvor fluchtartig verlassen und überließen sie kampflos den Russen. Vielleicht hatten die hungrigen Soldaten aus Tundra und Taiga einen fängigen Angelköder im Marschgepäck, den die Koblenzer abkupferten und zur Erinnerung „Kosak“ nannten…?
Wir werden es wohl nie erfahren. Doch noch Jahrzehnte später hatten deutsche Angelgerätehändler nur Import-Kunstköder aus dem Ausland im Angebot – ihre Kosaken gossen sie dagegen stets selbst.

Eigenbau des Kosaken

Der Kosaken-Hersteller „Mayer & Rühl“ ging 1864 pleite, darauf reagierte von Ehrenkreutz mit einer Selbstbauanleitung: „Man mache sich zu dem Ende eine Form in der ungefähren Gestalt eines Fischchens und bringe in dieser am Ende, wo der Schwanz hinkommen soll, zwei kleine englische Angeln von Nr. 2 und 6 so an, dass diese beim Gusse gleich mit festsitzen. Dann nehme man das feinste englische Zinn (ein alter zerbrochener Esslöffel von diesem Metalle ist ganz dazu geeignet), und schmelze und gieße solches in der Form. Kommt der Guss aus der Form, so hat er nichts weniger als eine Ähnlichkeit mit dem Fischchen; durch eine Feile kann man ihm solche leicht geben. Selbst die Schuppen lassen sich mit einem passenden Instrument leicht einschlagen.“

Sollten Sie wissen, warum der Kosak Kosak heißt, dann melden Sie sich bei: Thomas Kalweit, Tel. 02604/978-175, thomas.kalweit@paulparey.de. In Heft 2/2007: Die Blinker-Legende von Dr. Heintz.

 

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