Das Vertikalangeln feiert Jubiläum. Ein Gespräch mit Pionier Dietmar Isaiasch.
„Oft liegt in der Ruhe die Kraft – die Fangkraft!“ Dietmar in typischer Vertikalangler-Pose.
RAUBFISCH: Wer hätte das gedacht, Dietmar? Das Vertikalangeln wird schon über 30 Jahre alt. Wie bist Du damals überhaupt auf diese Methode gekommen?
D. Isaiasch: Ich habe früher am Rhein-Herne-Kanal den Barschen und Zandern im Herbst und Winter mit Bleizockern nachgestellt – jiggend entlang der Spundwand. Damals war ich um die 15 Jahre alt. Damit zockte ich kilometerlang die Spundwände ab und fing viele schöne Stachelritter!
RAUBFISCH: Rhein-Herne-Kanal? Der liegt doch im Ruhrpott. Dabei dachten wir, dass das Vertikalangeln aus Holland stammt!
D. Isaiasch: So ist es ja auch. Obwohl ich an der Spundwand senkrecht hinab gefischt habe, erfand ich dort ja nicht das Vertikalangeln, so wie wir es heute kennen. Dieser Prozess setze erst ein, als ich mit etwa 18 Jahren Bertus Rozemeijer kennenlernte. Damals angelte man in Holland viel mit Köderfisch, nur wenige haben anders auf Zander gefischt, zum Beispiel mit kleinen Pilkern, Cicaden und Zockern – ähnlich, wie ich es am Kanal von den Spundwänden aus gemacht habe.
RAUBFISCH: Und wie seid Ihr dann aufs eigentliche Vertikalangeln gekommen?
D. Isaiasch: Eigentlich entstand alles an einem Tag, an dem ich aus lauter Verzweiflung statt des Zockers einen weißen Twister an die Schnur knotete und mich vor Zandern nicht mehr retten konnte. Das haben wir dann im Laufe der Zeit Schritt für Schritt verfeinert und später mit allen möglichen Gummiködern experimentiert, bis wir dann sogar den Zusatzdrilling erfanden!
RAUBFISCH: Wie waren Eure ersten Fänge? D. Isaiasch: Überragend! Anfangs haben Bertus und ich uns einen Tennisarm gefischt. Tagesergebnisse von 50 Fischen pro Angler waren da nichts besonderes. Ich kann mich noch an eine Saison Anfang der 1990er Jahre erinnern, als wir in nur sechs Monaten mehr als 2.000 Zander fingen! Bertus sagte immer: „Stell Dir vor, Dietmar, wenn wir jetzt die Bösen wären, könnten wir uns jedes Jahr einen nagelneuen Mercedes vom Verkauf der Zander leisten.“
„Damals waren wir die Pioniere, und nur ganz wenige machten es uns nach.“ Der Holländer Bertus Rozemeijer gehört neben Dietmar Isaiasch zu den Erfindern des Vertikalangelns.
„Vor 30 Jahren fischte man in Holland viel mit Köderfisch, nur wenige haben anders auf Zander gefischt.“ Das Vertikalangeln hat die Zanderfänge explodieren lassen.
RAUBFISCH: Was hat sich denn im Laufe der Jahre so verändert?
D. Isaiasch: Damals waren wir die Pioniere, und nur ganz wenige machten es uns nach. Heute fischt jeder Holländer vertikal auf Zander – logisch, dass die Zander da schlauer werden. Wir aber auch und kommen mit immer neueren Ködern. Ansonsten stellt man natürlich starke Veränderungen in der Ausrüstung fest. Die Boote wurden größer, und es wurde nicht nur vertikal an Stillgewässern, sondern auch im Fluss und im Meer gefischt. Außerdem sind die E-Motoren besser und leistungsfähiger geworden, gleiches gilt für die Echolote.
RAUBFISCH: Wie steht es eigentlich um die Scheuwirkung des Echolots? Ist so eine vorhanden, schließlich fischst Du ja unmittelbar unter dem Boot?
D. Isaiasch: Ob der Taktgeber des Echolots einen negativen Einfluss auf die Seitenlinie der Fische hat, ist noch nicht genau erforscht. Zumindest kann hier eine Art Wiedererkennung beim Zander erfolgen, so dass er nicht mehr beißt, wenn er einen Gummiköder in Kombination mit den Takten eines Gebers sieht beziehungsweise spürt.
RAUBFISCH: Falls man so ein scheues Verhalten der Zander feststellt, wie soll man darauf reagieren?
D. Isaiasch: Hervorragend klappt es, dann nicht mehr vertikal, sondern diagonal zu fischen. Der Köder arbeitet dabei dann nicht mehr senkrecht unterm Boot, sondern mindestens eine oder besser noch zwei Bootslängen dahinter. Dadurch ist er außerhalb des Einflussbereichs des Gebers, so dass die Fische dessen Signale nicht mehr in Verbindung mit dem angebotenen Köder bringen. Vor allem große Exemplare werden so weniger misstrauisch. Nachteilig ist, dass man nicht direkt dort fischt, was man auf dem Echolot sieht. Alles passiert einige Augenblicke später. So nimmt natürlich auch die Hängergefahr zu.
„Anfangs haben Bertus und ich uns einen Tennisarm gefischt.“ Der junge Dietmar mit kapitalem Zander.
„Gute Vertikalgummis besitzen eine flache Oberseite.“ Prädestiniert dafür sind die so genannten No-Action-Shads mit Fransen-Schwanz.
RAUBFISCH: Ob nun diagonal oder vertikal gefischt wird – die Ausrüstung ist ja dieselbe. Wie sehen denn Ruten, Rollen und Schnur heutzutage aus?
D. Isaiasch: Die Rollen wurden kleiner und leichter, und statt 0,25er monofilem Platil-Strong wird jetzt mit hauchdünner Geflochtener gefischt, denn nur mit so einer dehnungsarmen Schnur kann man seine Vertikalgummis optimal präsentieren. Eine 0,10 bis 0,12er reicht in der Regel aus. Wichtig ist eine echte Vertikalrute, die schnell und steif sein sowie die Fluchten eines Fisches im Drill gut abfedern sollte. Nur ein steifer Stock von 1,80 bis 2,10 Metern Länge überträgt alle möglichen Bewegungen des Bootes und des Unterarms direkt auf den Köder. Außerdem fängt nur so eine steife Rute das Zittern des Köders während des Auspendelns nicht ab – eine weiche, parabolische Rutenaktion würde dies tun und somit die Effektivität des jeweiligen Vertikalköders nachteilig beeinflussen.
RAUBFISCH: Welches Auspendeln meinst Du genau?
D. Isaiasch: Dafür müssen wir uns die Technik des Vertikalangelns genauer anschauen. Beim Vertikalen wird der Köder ja, so gut es geht, senkrecht – also vertikal – unterm Boot gefischt. Die Rute zeigt dabei zum Wasser, wobei der Abstand zwischen Spitze und Wasseroberfläche nicht zu groß sein darf. Maximal 30 Zentimeter sind ideal. Je nach Art der Bodenstruktur fahre ich nun langsam die Kante ab. Am besten vom tiefen ins flache Wasser, ohne dass dabei die Schnur aus dem Lot gerät. So halte ich den Jig in Grundnähe.
Raubfisch: Wie bekomme ich den Köder denn überhaupt senkrecht nach unten?
D. Isaiasch: Um den Jig senkrecht zu halten, vor allem bei Wind, muss mit ziemlich schweren Bleiköpfen gearbeitet werden – selbst bei Verwendung sehr dünner Dyneema-Schnüre. Nachteil: Je schwerer der Bleikopf, desto größer die Fehlbissquote, da der Zander beim Einsaugen des Köders extra viel Kraft aufbringen muss. Daher auch die Notwendigkeit eines Schwanzdrillings.
„Ich habe schon Zander in einem Meter tiefen Wasser gefangen.“ Dieser Brummer biss jedoch tiefer – Dietmar freut‘s.
EXTRA-TIPP
Wer eine Scheuchwirkung des Echolots feststellt, sollte diagonal fischen. „Vor allem große Zander werden so weniger misstrauisch.“
Das diagonale Fischen hinter dem Boot kann mit einem leichteren Blei erfolgen. Auch bei Wind. Aber auch hier ist dünne Dyneema-Leine Pflicht. Da wir leichter fischen können, erhält man beim diagonalen Fischen weniger Fehlbisse. Die Zander saugen den Köder bei einer Attacke nämlich fast immer komplett ein. Deshalb ist ein Schwanzdrilling nicht zwingend notwendig. Durch den schrägen Winkel hindert den Fisch auch nichts beim Biss – auch keine senkrechte Schnur! Beim diagonalen Fischen kann besser aus dem ganzen Arm, als aus dem Handgelenk gefischt werden. Durch den flachen Winkel gibt es eine richtige Absinkphase. Außerdem befischt man eine größere Wasserfläche, so dass die Chancen, beißwillige Zander zu finden, enorm steigen.
RAUBFISCH: Zurück zum Auspendeln. Wie führst Du den Köder denn nun genau, wenn Du ihn wenige Zentimeter über den Boden platziert hast?
D. Isaiasch: In der Regel jigge ich den Gummifisch mit einer fließenden Bewegung vom Gewässerboden hoch, um ihn dann nach einer entsprechenden Pendelpause wieder abzusetzen. Das Hebe-Tempo sollte man nicht stark variieren. Was sich ändert, ist das Tempo der Drift. Mit dem Motor beschleunige oder bremse ich die Drift, wodurch der Köder eine verlängerte beziehungsweise verkürzte Absinkphase bekommt.
RAUBFISCH: Wie hoch soll man den Köder denn über den Boden hüpfen lassen?
D. Isaiasch: Die Sprunghöhe hängt allein von der Aktivität der Fische ab, und die wird wiederum von Außenfaktoren wie Wind und Wetter bestimmt. Unabhängig von der Witterung sollte man stets Abwechslung in seine Sprungfrequenz einfließen lassen. Monotonie ist der Anfang vom Ende. Und nicht vergessen: Oft liegt in der Ruhe die Kraft – die Fangkraft!
„Um den Jig senkrecht zu halten muss mit ziemlich schweren Bleiköpfen gearbeitet werden.“ Bei diesem Barsch hat‘s geklappt!
„Das Vertikalangeln funktioniert überall, ob am See, Fluss oder Meer.“ Drills sind an der Tagesordnung.
RAUBFISCH: Fangen wollen wir ja alle. Mit welchen Ködern klappt das denn am besten?
D. Isaiasch: Auch wenn viele Angler schlanke Modelle bevorzugen, funktioniert das Vertikalangeln eigentlich mit allen Gummiködern. Außer mit Swimbaits, bei denen bereits das Bleigewicht mit Bauchdrillig eingegossen ist. Umso besser klappt‘s dagegen wiederum mit kleinen Pilkern, so wie damals während meiner Anfänge. Aber auch ein toter Köfi am Fire-Ball-System bringt Bisse.
RAUBFISCH: Gummifische gibt es natürlich viele. Kannst Du die besten nicht doch noch etwas genauer eingrenzen?
D. Isaiasch: Gute Vertikalgummis besitzen eine flache Oberseite. Derartige Köder haben dann auch bei uns rasch den Stempel „No-Action-Shads“ bekommen. Was aus der Sicht eines traditionellen Uferanglers, der seine Gummifische auswirft und mit raschen Kurbelumdrehungen und Zick-Zack-Sprüngen einholt, sicherlich richtig ist. Jedoch sind derartige Vertikalgummis, vom Boot aus eingesetzt, in Wahrheit echte Bewegungskünstler, die jeden Standardgummi in den Schatten stellen.
RAUBFISCH: Warum das?
D. Isaiasch: Weil wir doch ganz andere Voraussetzungen haben. Im Gegensatz zum Uferangeln haben wir beim Vertikalen ja den Vorteil, dass wir uns mit dem Boot fast immer über dem Fisch befinden und in der Lage sind, den Köder überm Boden in der Schwebe zu halten – ohne mit der Schwerkraft zu hadern. Man kann den Köder also, solange man will, auspendeln lassen, ihn quasi sein eigenes Leben leben lassen, was man vom Ufer aus nie schaffen würde.
RAUBFISCH: Allerdings wird sich ein No-Action-Shad doch niemals so gut bewegen wie ein Gummifisch mit großem Schaufelschwanz!
D. Isaiasch: Von wegen! Viel wichtiger als die Schwanzform ist der platte Rücken des Köders. Er bestimmt nämlich die Stärke der Schwingungen, da er beim Zug nach oben mit der Angriffsfläche seines Rückens entsprechend viel Wasser verdrängt. Das ist vergleichbar mit dem großen Einsaugteller eines herkömmlichen Gummifischs, bei dem sich der Wasserdruck unter Zug am breiten Schwanzende sammelt, woraus das bekannte Ausschlagen resultiert. Beim Vertikalangeln entsteht eben dieser Druck beim Anlupfen des Gummis. Dadurch verbiegt sich der ganze Weichköder nach unten und lädt sich beim Anjiggen quasi wie ein Flitzebogen auf. In der folgenden Ruhephase knapp über Grund entlädt er sich dann wieder, schwingt aus und zittert verlockend mit seinen Schwanzenden.
RAUBFISCH: Dieser „Flitzebogen-Effekt“ ist also der Schlüssel zum Erfolg?
D. Isaiasch: Ganz genau. Um ihn zu gewährleisten, benötigt man unbedingt schwerere Bleiköpfe als beim Werfen. 15 bis 30 Gramm sind ideal, in der Strömung können auch schon mal 50 Gramm angebracht sein. Wichtig sind des Weiteren kurze Jighaken in den Größen 1/0 bis maximal 3/0, denn zu lange Haken würden den Weichköder versteifen und seine Körperbewegung einschränken – so, als hätte er einen Stock verschluckt. Die kurzen Haken sollten einen großen Bogen aufweisen. Deshalb kommt es gar nicht so selten vor, dass ich einen Fire-Ball-Jig in Kombination mit einem Gummiköder verwende. So hole ich garantiert das Maximale aus dem Weichköder heraus.
RAUBFISCH: Führen diese extrakurzen Jighaken nicht zu mehr Fehlbissen?
D. Isaiasch: Nein, man darf ja nicht vergessen, dass man einen Extradrilling benutzt.
RAUBFISCH: Alles über Ausrüstung und Köderführung hast Du uns jetzt verraten. Aber wo funktioniert das Vertikalangeln am besten?
D. Isaiasch: Es funktioniert überall, ob am See, Fluss oder Meer. Ich habe damit Zander und Barsche an der Wolga im tiefsten Russland, an unzähligen Seen in Schweden und Finnland, in Spanien am Ebro und am Erie-Lake in den USA gefangen.
RAUBFISCH: Oft hört man, dass das Vertikalangeln nur eine Methode für den Winter ist. Stimmt das?
D. Isaiasch: Auf keinen Fall! Sicherlich ist das Vertikalangeln im Winter besonders erfolgreich, weil man den Köder in den tiefen Löchern langsam präsentieren kann. Aber man fängt mit dieser Methode genauso gut im Sommer. Es gibt auch keine Minimaltiefe. Ich habe schon Zander in einem Meter tiefen Wasser gefangen. Wichtig dabei ist nur, dass das Wasser trüb ist. Je klarer ein Gewässer, desto tiefer muss ich runter.
RAUBFISCH: Wie siehst Du die Zukunft des Vertikalangelns?
D. Isaiasch: Es geht sicher hin zum Meeresangeln – Vertikal XXL auf Heilbutt oder Großdorsch! Was das Zanderangeln betrifft, ist die Luft dünn geworden. Sicherlich werden Schnüre noch feiner und Gummis noch besser, aber es bleibt beim langsamen Auf und Ab und der kleinen, aber so wichtigen Pause dazwischen!
Die besten Vertikal-Gummis aller Zeiten
Gehören für Dietmar zu den besten Vertikalgummis aller Zeiten (v. o.): der Fine Fish von Mann‘s, der Legend von Fox RAGE und der Octo Tail von Rozemeijer.
In folgender Liste nennt Raubfisch-Weltmeister Dietmar Isaiasch die seiner Meinung nach 15 besten Gummifische zum Vertikalangeln der ersten 25 Jahre. Alle genannten Köder haben schon Unmengen von Räubern auf die Schuppen gelegt und werden es immer wieder tun, solange es Zander gibt! Und alle haben eines gemeinsam: Sie erzeugen ganz verlockende Druckwellen, bei denen sie Sand vom Gewässergrund aufwirbeln und gleichzeitig ein sehr natürliches Bewegungsmuster eines Beutefischs oder Krebses imitieren. Die Top 15 (in alphabetischer Reihenfolge):
❯ AA-Shad von AA-Worms
❯ Action Shad von Mann’s Bait
❯ Fine Fish von Mann’s Bait
❯ Fin-S Fish von Lunker City
❯ Flappn Shad von Gambler
❯ Fork Tail von Fox RAGE
❯ Jerkworm von Culprit
❯ Jerky J von Castaic
❯ Legend von Fox RAGE
❯ Octo Tail von Rozemeijer
❯ Riptide Shad von Culprit
❯ Saltwater Shad von Bass Assassin
❯ Scatter Shad von Vinilo
❯ Slug von Mister Twister
❯ Slug-Go von Lunker City