Thomas Kalweit ist es ein Rätsel, warum der tote Köderfisch nur so selten eingesetzt wird. Im Interview verrät er, warum man auf Hecht im Trüben fischen muss, was Zander an Makrelen auszusetzen haben, und warum englische Angelprofis so gerne Briefe beantworten.
RAUBFISCH: Thomas, in Deutschland bist Du einer der Pioniere des Hechtangelns mit toten Köderfischen, vor allem mit toten Meeresfischen. Wie bist Du auf dieses verrückte Angeln gekommen?
Thomas Kalweit: Ursprünglich komme ich vom Karpfenangeln. Ende der 1980er Jahre machte ich meine ersten Gehversuche mit Boilies und Boltrig. Doch schnell wurde mir dieses Angeln zu langweilig, die Selbstanschlag-Methode funktionierte einfach zu perfekt. Ich habe die Herausforderung gesucht. Einfach fangen kann jeder!
RAUBFISCH: Und wie gestalteten sich Deine Köderfisch-Anfänge?
Thomas Kalweit: Zunächst habe ich meine Karpfenruten einfach fürs Deadbaiting umfunktioniert, die komplette englische Fachliteratur zum Thema verschlungen und Briefe mit den Berühmtheiten Neville Fickling und John Watson gewechselt.
RAUBFISCH: Die dann auch geantwortet haben? Einfach so?
Thomas Kalweit: Das gehört bei den englischen Angelprofis einfach zum guten Ton. Angelgott Richard Walker hat im Schnitt zehn Briefe pro Tag mehrseitig beantwortet.
Freude über einen strammen Hecht. Thomas war einer der ersten, der das Angeln mit totem Köderfisch in Deutschland bekannt gemacht hat.
Neville Fickling hat einem meiner Angelfreunde sogar mal eine Landkarte geschickt, in der er seine besten Angelstellen am Loch Lomond eingezeichnet hatte. Bei uns undenkbar. Auf der Insel gibt es keinen Fangneid, da gehen ja alle Fische wieder zurück.
RAUBFISCH: Waren die Tipps der englischen Experten denn hilfreich?
Thomas Kalweit: Auf alle Fälle! Ich habe mir das Hechtfischen mit totem Köderfisch dann sogar bei den Briten vor Ort angesehen und bin zu den berühmtesten Deadbaiting-Gewässern gepilgert. Am Loch Lomond in Schottland konnte ich Hechte bis über 20 Pfund überlisten, auch in den Norfolk Broads in England ließ der „Twenty“ nicht lange auf sich warten. Beides hat nicht unbedingt jeder Engländer geschafft.
Bilder aus der Vergangenheit: Ansitz mit Zigarette …
RAUBFISCH: Wie haben denn damals die anderen Angler auf Deinen „Spleen“ reagiert?
Thomas Kalweit: Vor über 25 Jahren bin ich noch für verrückt gehalten worden, wenn ich mit toten Köderfischen auf Hechte ansaß. Vor allem mit Meeresfischen wie Hering oder Makrele.
Als ich aber aus meinem heimischen Baggersee mehrere Hechtbrocken bis 24 Pfund von einem kurzen Landausflug überzeugen konnte, wurden die meisten Angler still.Vor allem als ich den größten Hecht in stockfinsterer Nacht mitten im Kraut mit einem faustgroßen Makrelenkopf erwischte.
RAUBFISCH: Du hast dann auch schon früh die ersten Artikel für Angelzeitschriften zum Thema geschrieben.
Thomas Kalweit: Stimmt, schon in den ersten drei Ausgaben vom RAUBFISCH, das war 1996, hatte ich eine Artikelserie zum Hechtangeln mit totem Köderfisch veröffentlicht, und vorher schon einiges in anderen Angelzeitschriften zum Thema geschrieben.
RAUBFISCH: Wurde das Deadbaiting dadurch populärer?
Thomas Kalweit: Zumindest wurde es bekannter. So richtig wollte sich das Deadbaiting in Deutschland aber nicht durchsetzen, dem Ganzen kam dann auch der Kunstköderboom in die Quere. Erst Matze Koch hat in den letzten Jahren den Totköfi populärer gemacht. Ich bin froh, dass ich mit dem begnadeten Angler einige Filme zum Thema machen konnte.
… Thomas (l.) und Chris Schütter, späterer Präsident vom Deutschen Hechtangler-Club, mit 21 Pfund schwerem Hecht aus dem Loch Lomond.
RAUBFISCH: Manche Angler behaupten, der tote Köderfisch auf Hecht funktioniere nur in England, allenfalls noch in den Niederlanden so richtig gut. Aber nicht hier bei uns. Was meinst Du dazu?
Thomas Kalweit: Leider haben viele Angler noch immer kein Vertrauen in die Methode. „Deadbaiting is a waiting game!“, sagen die Engländer. Ein Naturköderangler muss warten können, Tage und Wochen, wenn es sein muss. Doch dann läuft irgendwann die Schnur … Zweifellos gibt es Gewässer, da funktioniert der tote Köfi nicht so gut. In der Regel sind das glasklare Seen mit gutem Futterfischbestand. Hier kann das Augentier Hecht viel zu leicht lebendige Beute machen. Kann er aber seinen Hauptsinn nicht so gut einsetzen – etwa in trübem Wasser oder nachts – dann muss Esox mit der Nase auf Futtersuche gehen. Am besten legt man dann den Köfi einfach auf Grund, denn nur dort sucht der Aasfresser seine tote Beute.
… Drill mit Karpfenrute am Heimatgewässer
…
RAUBFISCH: Sind Meeresfische als Köderfische besser?
Thomas Kalweit: Bei trübem Wasser eindeutig! Der Hecht kann die Stinker besser und schneller finden. Er riecht einfach nur „Fisch“, gleichgültig, ob eine halbe Makrele oder ein Rotauge im Wasser liegt. Der Meeresfisch riecht nur um ein Vielfaches intensiver, fängt also schneller. Bei klarem Wasser würde ich Rotaugen als Köderfisch bevorzugen, idealerweise in Schwimmposition präsentiert, um ein noch halbwegs lebendes Fischchen vorzugaukeln. Bei klarem Wasser geht beim Hecht viel übers Auge, und die breite, glitzernde Flanke überzeugt als Schlüsselreiz mehr als ein auf Grund gelegter Makrelenkopf.
RAUBFISCH: Funktionieren tote Meeresfische auch beim Zander- und Barschangeln ähnlich gut wie auf Hecht?
Thomas Kalweit: Zander nehmen ölige Meeresfische nur in Ausnahmefällen. Sie lassen sich besser mit toten Süßwasserfischen fangen. Auch der Brackwasserfisch Stint fängt gut, vor allem in küstennahen Gewässern. Barsche bevorzugen lebende Beute. Sie können sich deshalb für den toten Köderfisch nicht so richtig begeistern. Da ist ein Tauwurm immer fängiger. Man hört zwar von Fängen mit toten Rotäugelchen, doch das sind Ausnahmen.
RAUBFISCH: Es soll ja noch heute einige Kunstköderspezis geben, die nicht glauben wollen, dass man mit toten Köfis sehr gut Hechte überlisten kann.
Thomas Kalweit: Denen sage ich, dass sie das Verhalten des Hechtes noch nicht ansatzweise verstanden haben. Jeder Hecht ist anders! Es gibt Hechte, die haben sich auf die energiesparende Aasfresserei spezialisiert. Sie ziehen im Gewässer umher und suchen nach toter Beute. Oft sind das die richtig Großen. Wer, vor allem bei extremer Kälte, nur mit Kunstködern fischt, verpasst vielleicht sogar die Besten!
Halber Hering am Drillingssystem. Hechte stehen auf diese salzigen Happen, Zander mögen es dagegen eher süß.
ENGLÄNDER UND KÖFIS
Deadbaiting mit toten Meeresfischen wurde erstmals 1496 in der Angelliteratur beschrieben. Schon vier Jahre nachdem Christoph Kolumbus seinen Fuß auf den amerikanischen Kontinent setzte, erwähnt die englische Äbtissin Juliana Berners in ihrem Buch „Treatyse of Fysshynge wyth an Angle“ erstmals diese Hechtangelmethode. Für Juliana war der tote Hering der beste Hechtköder ihrer Zeit. „Das ist der beste und sicherste Weg, den Hecht zu fangen“, schrieb sie in ihrem epochemachenden Angelbuch. Fred J. Taylor hat diese Methode dann in den 1950ern so richtig auf der Insel populär gemacht. Bei uns fristet das Deadbaiting trotz der Bemühungen von Matze Koch und Thomas Kalweit immer noch ein Schattendasein.