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Der Dreiländer-Spinner

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Die Geschichte der Kunstköder – ein internationaler Wirtschaftskrimi aus Industriespionage und Patentklau. Vor allem zwischen Deutschen, Engländern und Franzosen wurde früher abgekupfert, was das Zeug hielt – so auch beim Bleikopf-Spinner.

Thomas Kalweit

Alles begann ganz unspektakulär: Spätherbst 1931, das deutsche Fachblatt „Der Sportfischer“ stellte zum Jahresende wie gewohnt Kunstköder-Neuheiten vor. Es waren schwierige Zeiten, denn auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise fehlte vielen Landsleuten das Geld, um Anglerzeitschriften zu kaufen, geschweige denn, um kostspieliges Angelgerät zu erwerben. Doch träumen wollten auch schon die Angler von damals.
Ausführlich präsentierten die Redakteure deshalb „bewährte Neuerungen“ der Münchener Angelgeräte-Fabrik H. Hildebrand, darunter eine Sensation: den Bleikopf-Spinner. „Der EB-Spinner wurde von Herrn Dr. Köster erfunden“, erwähnten sie stolz gleich im ersten Satz. Endlich wieder ein Landsmann, der sich in schlechten Zeiten auf dem Weltmarkt behaupten wollte. Der stark exzentrische Bleikopf verhinderte Schnurdrall – ein Quantensprung. Erfunden hatte Köster den „Excenter Barspoon“ aber nicht – doch davon später mehr.
Auch die ersten Fangerfolge wurden bereits vermeldet: „Kommerzialrat Hans Fehrer fing an einem Sonntag-Nachmittag in einem Mühlenfluss bei klarstem Sonnenschein und großer Schwüle mit dem EB-Spinner 4 Hechte, 18 Barsche und 13 Aitel.“ Der Testangler verlor sogar noch einen 20-pfündigen Hecht, „weil dieser den etwas zu kleinen Drilling zusammengebissen hatte“.
Schon 1928 hatte Dr. H. Köster, Arzt aus Dresden, in der September-Ausgabe der illustrierten Monatsschrift „Der Angelsport“ einen Aufsatz über den Bleikopf-Spinner veröffentlicht. Damals stellte der angelnde Mediziner seine neue Methode vor – das Flachspinnen: „Der weitaus beste Köder für unseren Zweck ist ein bei uns noch viel zu wenig bekanntes Gerät: der Excenter-Barspoon.
Er lässt sich gleichzeitig ganz langsam und ganz flach führen.“ Köster verriet, dass er „reichlich zwei Jahre mit ihm herumexperimentiert“ hat, jedoch bezeichnete er sich nie als Erfinder. Denn sein EB-Spinner hatte Vorläufer…

Jan Lock


Jan Lock

Wer hat’s erfunden?

1924 erschien in der „Ecke der Erfinder“ der französischen Anglerzeitschrift La Pêche Illustrée eine kleine Meldung. Mit dem gloriosen Satz „Dieser Köder ist dazu geeignet, die Kunstköderangelei zu revolutionieren“ wird der „L.P.S.-Spinner“ mit Bleikopf vorgestellt. Als Großhändler wird J. Louche aus Boulogne-sur-Mer genannt. Angler konnten die Novität beim Fachhändler Paul Gras in der Rue Faidherbe, ebenfalls in der nordfranzösischen
Hafenstadt am Ärmelkanal, beziehen. Aber viel wichtiger: Im Anzeigenteil wird der wahrscheinlich erste Bleikopf-Spinner der Welt mit „Brevetée S.G.D.G.“ bezeichnet, der französischen Patentformel. Also wer hat’s erfunden? Die Franzosen!

Um die Sache noch mehr zu verwirren: Die Idee lag wohl in der Luft, denn ein Jahr später legte die englische Weltfirma Hardy mit einer angeblich ebenfalls frisch erfundenen Eigenentwicklung nach. Jetzt hatten auch die Briten ihren Bleikopf-Spinner. „Das zuerst von Hardy gebrachte Modell dieses Löffels hat sich allgemein eingeführt.“ Diese Erkenntnis lesen wir noch 1937 im Katalog der Firma Stork München, darüber ein Bild des Excenter-Barspoons in der Bauweise nach Dr. Köster. Inzwischen wissen wir, dass weder die Deutschen noch die Briten sich den epochalen Köder auf die Fahne schreiben können – die Franzosen waren schneller.
Dr. Köster hat seinen „Prototypen“ mit Sicherheit in England erworben. Nicht umsonst nennt er seinen Bleikopf-Spinner Excenter-Barspoon. Er war wohl unzufrieden mit der Ware. Deshalb setzte er sich dran und tüftelte eine deutlich verbesserte Version aus. Frühere Spinner-Modelle hatten schwere Blätter aus dickem Blech, die äußerst langsam rotierten und so während des Einholens ständig weiter absanken. Sein Bleikopf-Spinner besaß jetzt ein schnell wirbelndes Spinnerblatt in Leichtbauweise. Der Wasserwiderstand durch die schnelle Rotation sorgte dafür, dass der Köder trotz Bleikopf und langsamer Köderführung immer auf gleicher Tiefe blieb. Wollte man tiefer fischen, musste man den neuen Köder vor dem Einholen auf Wunschtiefe absinken lassen.
Köster wollte mit seinem EB-Spinner kein Geld machen. Zwar erwähnt er stets beiläufig die Bezugsadresse, die Angelgeräte GmbH in Berlin, doch gibt er auch immer eine Selbstbauanleitung. Bei der Massenarbeitslosigkeit während der Wirtschaftskrise ein nobler Zug. Auch verrät der ehrliche Arzt, dass Forellen seinen Bleikopf-Spinner nicht sonderlich mögen: „Dafür ist er auf Rapfen und Döbel der beste von allen!“

Jan Lock

 

 

 


Jan Lock

Bleikopf-Spinner
Die Enkel aus der Nachkriegszeit: Mepps Lusox, Voblex und Abu Mörrum.
Auch die Vorkriegszeit hatte ihre Angel-Titanen. Der berühmte „Raubfischjäger“ Hans Eder war noch skeptisch über die Zukunft des neuen Spinnertyps: „Es ist nicht zu bezweifeln, dass sich dieser Köder bald Eingang verschaffen wird, jedoch kann heute noch nicht abschließend darüber geurteilt werden.“ Er hat sich Eingang verschafft! Nahezu alle Firmen – von Agil Berlin bis DAM Ziegenspeck – brachten in den 30er Jahren Bleikopf-Spinner heraus. Die Enkel des EB-Spinners aus der Nachkriegszeit wie der ABU Mörrum und der Mepps Lusox liegen noch heute als moderne Klassiker in fast jeder Köderbox.

Fliegende Löffel

Vor dem Bleikopf musste erst einmal der Spinner erfunden werden. Die geniale Idee, ein Spinnerblatt um eine Achse rotieren zu lassen, hatte ein Amerikaner bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts. J.T. Buel aus Whitehall, New York, ließ sich 1852 den Flying Spoon, den fliegenden Löffel, patentieren. Doch bis ein Franzose ein exzentrisches Köpfchen aus Blei an die Spitze der Spinnerachse goss, mussten über 70 Jahre vergehen.

Sollten Sie einen noch früheren Bleikopfspinner kennen, dann melden Sie sich bei: Thomas Kalweit, Tel. 02604/978-175, thomas.kalweit@paulparey.de

Jan Lock

 

 

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